70 Prozent der mittelständischen Unternehmen stehen vor Verkauf oder Schließung, weil sie keine Nachfolge finden. Eine neue Rechtsform soll helfen, indem sie das Vermögen im Unternehmen bindet und so eine treuhändische Fortführung ermöglicht. Die Idee hat viele Unterstützer*innen – und einige mächtige Gegner*innen.
Sie sind geschäftsführender Vorstand der Stiftung Verantwortungseigentum, die sich für die Einführung einer neuen Rechtsform einsetzt. Worum geht es dabei?
Das zentrale Element der neuen Rechtsform ist die Vermögensbindung: Gewinne und Vermögen bleiben ans Unternehmen gebunden und dienen der langfristigen Unternehmensentwicklung. Kontrolliert wird das durch einen externen Aufsichtsverband, unterstützt durch die Finanzbehörden als zweite Kontrollinstanz. Das sichert die Unabhängigkeit von Unternehmen langfristig und verhindert Kapitalspekulationen.
Eine Unternehmerin gibt die Kontrolle über ihr Vermögen auf – und Sie sprechen von unternehmerischer Unabhängigkeit?
Unternehmerisch wird keinerlei Kontrolle über das Vermögen auf- oder abgegeben. Als Unternehmer*in kann ich auch in der neuen Rechtsform in vollem Umfang gestalten und das Unternehmen entwickeln. Die Einschränkung besteht allein darin, dass ich aus dem Eigentum als solchem keinen privat-konsumtiven Zugriff auf die Gewinne und das Vermögen des Unternehmens habe. Die unternehmerische Gestaltungsfreiheit wird dadurch sogar erweitert.
Das müssen Sie erklären.
Ich kann das Unternehmen auf diese Weise treuhändisch an eine nächste Generation übergeben, ohne dass diese Menschen aus meiner Familie kommen oder vermögend sein müssen, um das Unternehmen zu kaufen. Momentan ist das anders: Bei klassischen Unternehmensübergaben wird entweder in der Familie vererbt beziehungsweise verschenkt oder es muss ein hoher Kaufpreis finanziert werden. Selbst in kleineren Handwerksbetrieben steht häufig ein Maschinenpark in Millionenwert, und Banken geben Menschen mit wenig Eigenkapital normalerweise keine so großen Kredite für eine Übernahme.

Verantwortungseigentum ist also eine Option für kleine und mittlere Unternehmen, die keine Nachfolger*innen finden?
Ja, das ist der größte und dringlichste Bedarf, den wir im Mittelstand sehen. Immer weniger Kinder sind bereit, das Geschäft ihrer Eltern zu übernehmen. Die neuesten Daten der Deutschen Industrie- und Handelskammer belegen: Weniger als 30 Prozent der Unternehmensnachfolgen können heute noch innerhalb der Familie gelöst werden. Über 70 Prozent der Unternehmen stehen vor Verkauf oder Schließung. Durch die Vermögensbindung und die neue Rechtsform wird der Pool an möglichen Nachfolger*innen erweitert: Fähigkeit kann im Vordergrund stehen statt Familie oder persönliche Vermögensverhältnisse.
Was ist denn so schlimm daran, wenn Unternehmen von wohlhabenden Personen oder konkurrierenden Unternehmen übernommen werden?
Das muss überhaupt nicht schlimm sein, im Einzelfall kann es genau das Richtige für ein Unternehmen sein. Problematisch wird es aus einer wirtschaftspolitischen Perspektive aber, wenn Verkäufe ohne betriebswirtschaftliche Notwendigkeit zu immer mehr Marktkonzentrationen führen. Das schwächt dezentrale Entscheidungsstrukturen, Wettbewerb und Innovation – Kernelemente der sozialen Marktwirtschaft. Um diese zu stärken, sollte es im politischen Interesse liegen, Unternehmer*innen eine passende Rechtsformoption zur Verfügung zu stellen, um ihre Unternehmen auch über die Familie hinaus generationenübergreifend unabhängig zu halten. Es geht im Sinne der langfristigen Unternehmensentwicklung nicht nur um die Unabhängigkeit vom Staat, sondern auch von kurz- und mittelfristigen unternehmensfremden Interessen, die im Rahmen von Kapitalspekulationen nicht selten zum Verlust unternehmerischer Unabhängigkeit führen.
Unternehmen werden in diesem Sinne nicht als Spekulationsobjekte, sondern – wie Reinhold Würth es treffend formuliert hat – als langfristige „Leistungsgemeinschaften“ verstanden. Jedes Unternehmen hat seine eigene Kultur, sein besonderes Wissen und spezifische Fähigkeiten, die es weiterzuentwickeln gilt. Die langfristige Entwicklung des Unternehmens sollte im Mittelpunkt stehen können. Unternehmer*innen, die ihr Unternehmen nicht verkaufen wollen, aber keine Nachfolger*innen in der Familie haben, brauchen vom Gesetzgeber eine einfache, unternehmerisch sinnvolle Rechtsform, die diesen Weg ermöglicht.
Wenn aber Unternehmen wie Zeiss, Bosch und Lidl den Weg des Verantwortungseigentums bereits umsetzen, wozu dann die Rechtsform?
Diese großen Unternehmen können Stiftungsmodelle nutzen, weil sie die nötige Finanzkraft haben. Eine optimistische Praxisregel lautet: Ab 30 Millionen Euro Umsatz und 300 Mitarbeiter*innen beginnen Stiftungsmodelle, Sinn zu ergeben. Das betrifft aber nur 5 Prozent der Unternehmen in Deutschland, für die übrigen 95 Prozent sind sie nicht sinnvoll.
Woran liegt das?
Vor allem an der Komplexität: Diese Modelle erfordern Stiftungen und die Finanzierung entsprechender Stiftungszwecke, verschachtelte Eigentumsstrukturen und verschiedene Gremien. Oft werden sogar zwei Stiftungen gebraucht: eine gemeinnützige für das Vermögen und eine andere für die Unternehmensführung. Es bedeutet einen enormen Aufwand, drei bis vier verschiedene Entitäten mit entsprechenden Gremien zu koordinieren und lebendig zu halten. Wenn man damit einen Handwerksbetrieb mit 50 oder 100 Mitarbeiter*innen konfrontiert, sagen die verständlicherweise: Das tue ich mir und meinem Unternehmen nicht an.
Das alles wäre nicht mehr nötig, wenn es eine neue Rechtsform gäbe?
Genau, das fiele alles weg. Es wäre mit einer eigens dafür geschaffenen Rechtsform, wie wir sie vorschlagen, einfach umsetzbar.
Und wer kontrolliert ihre Einhaltung?
Ein Aufsichtsverband würde die externe Aufsicht übernehmen. Die entsprechenden Unternehmen wären selbst Mitglieder, und der Verband hätte bestimmte Aufsichtsrechte bis hin zu Klagerechten im Falle einer Umgehung der Vermögensbindung. Die zweite wichtige Kontrollinstanz sind die Finanzbehörden, die bereits seit Jahrzehnten verdeckte Gewinnausschüttungen verfolgen.
Transparenzhinweis
Die letzte große Reform des Gesellschaftsrechts war die Einführung der GmbH vor über 130 Jahren. Als Sie 2019 die Stiftung Verantwortungseigentum zur Schaffung einer neuen Rechtsform gegründet haben: Wie wurde diese Initiative von der Politik aufgenommen?
Zunächst standen uns alle Türen offen. Das lag vor allem daran, dass die Politik die Problematik in der Nachfolge sieht. Peter Altmaier als Wirtschaftsminister und Annegret Kramp-Karrenbauer als CDU-Vorsitzende sind unserer Einladung zur Gründungsveranstaltung gefolgt. Aber auch bei anderen Parteien, von der FDP über die SPD bis hin zu den Grünen, gab es Interesse und Unterstützung. Wir hatten sogar schon vor unserer Gründung einen Termin bei Minister Altmaier, bei dem wir mit 30 Unternehmer*innen unser Anliegen vorstellten. Wir erschienen in Zylinder und Frack aus dem 19. Jahrhundert, um zu verdeutlichen, dass die Rechtskleider nicht mehr zu allen heutigen Anforderungen passen.
Wann regte sich Widerstand gegen Ihr Vorhaben?
Der Widerstand kam mit der Vorlage des ersten konkreten Entwurfs für eine neue Rechtsform, vor allem von Verbänden. Etwa von der Stiftung Familienunternehmen und dem Verband DIE FAMILIENUNTERNEHMER e.V., aber auch aus dem Bundesverband deutscher Stiftungen.
Wie haben die Verbände diesen Widerstand artikuliert?
Wie Lobbyarbeit eben funktioniert: Sie haben den Kontakt zu Politiker*innen, zu Ministerien und den Medien gesucht, um gegen die neue Rechtsform zu argumentieren und ihre mögliche Einführung zu verhindern oder zu torpedieren. Das geschieht in persönlichen Gesprächen und Schreiben, aber auch in Veranstaltungen und Veröffentlichungen. So hat etwa der Vorstand der Stiftung Familienunternehmen in einem Gastbeitrag in der FAZ erklärt, warum die Rechtsform angeblich überflüssig sei.
Familienunternehmer*innen sollten doch eigentlich von Ihrem Vorschlag profitieren. Warum wenden sie sich dagegen?
Man muss hier unbedingt differenzieren zwischen den Familienunternehmen selbst und den Lobbyverbänden, die vorgeben, für diese Unternehmen in der Breite einzutreten. Das Allensbach-Institut hat 2021 in einer repräsentativen Studie gezeigt, dass 72 Prozent der mittelständischen Familienunternehmen die Einführung der neuen Rechtsform befürworten, für 42 Prozent kommt sie sogar selbst infrage. Die Haltung in der Breite der Familienunternehmen entspricht hier also nicht den Verlautbarungen der Lobbyorganisationen. So vertritt zum Beispiel die Stiftung Familienunternehmen auch nicht den Mittelstand, sondern die 500 größten Familienunternehmen Deutschlands – welche die neue Rechtsform aber gar nicht brauchen, weil sie alle groß genug sind, um Stiftungsmodelle zu nutzen.
Dass man etwas selbst nicht braucht, ist noch kein Grund, dagegen zu sein.
Diese Lobbyverbände haben tatsächlich auch öffentlich argumentiert, dass das hinter der Rechtsform stehende Unternehmensverständnis und das Anliegen gut und wertvoll seien. Sie sagen dann aber, die neue Rechtsform werde nicht benötigt und sei fehlerhaft. Die Gegnerschaft versteckte sich in sachlich nicht nachvollziehbaren rechtlichen Diskussionen.
Sachlich nicht nachvollziehbare, also ideologische Gründe?
Zumindest waren die Diskussionen teilweise sehr ideologisch. So wurden wir zum Beispiel wiederholt mit dem Argument konfrontiert, dass durch die Vermögensbindung unternehmerische Anreize und Verantwortungsbewusstsein ausgeschaltet würden. Unternehmerisch verantwortungsvoll könne demnach nur jemand handeln, der Zugriff auf Gewinne und Vermögen des Unternehmens hat. Damit ist innerhalb dieser Diskussion etwas ganz Merkwürdiges passiert: Stimmen, die für sich in Anspruch nehmen, für Unternehmer*innen zu sprechen, nähren letztlich ein Bild, was traditionell von linker Seite als Vorwurf formuliert wird: Unternehmer*innen sind diejenigen, die immer zugreifen. Denn was sie gegen die Rechtsform vorbringen, ist ja: Wer nicht mehr zugreifen kann, ist eigentlich kein*e Unternehmer*in.
Gerade im Mittelstand und vielen Familienunternehmen entspricht das aber überhaupt nicht der Wirklichkeit. Die Annahme, dass Menschen ihre Führungspositionen nur dann verantwortungsvoll ausführen, wenn sie Gewinn- und Vermögenszugriffe haben, ist grundfalsch. Ich erinnere etwa an sehr viele sehr erfolgreiche angestellte Geschäftsführer*innen in Unternehmen, Chefärzt*innen von Krankenhäusern, die keinen entsprechenden Zugriff haben, oder an Gerichte, an Schulen und an Universitäten. Warum sollten Unternehmer*innen grundsätzlich andere Menschen sein? Das wäre ein sehr ideologisches Menschen- und Unternehmer*innenbild. Allzumal die Praxis, auch international, seit vielen Jahrzehnten und über Generationen hinweg eindeutig zeigt, dass diejenigen Unternehmen, die eine Vermögensbindung schon heute im Rahmen von Stiftungsstrukturen umsetzen, sehr erfolgreich am Markt bestehen und nicht schlechter performen als andere Unternehmensmodelle.
Ein anderer Grund gegen die Einführung der Rechtsform scheint ein handfestes wirtschaftliches Interesse zu sein. Unternehmen genießen aus durchaus nachvollziehbaren Gründen weitgehende Steuervergünstigungen bei der Vererbung oder Verschenkung, durch die sogenannten Verschonungsregeln.
Die dazu führten, dass Axel-Springer-Erbin Friede Springer dem Konzernchef Mathias Döpfner Unternehmensanteile im Wert von einer Milliarde Euro (!) schenken konnte – ohne dass er darauf nennenswert Steuern zahlen musste.
Die Verschonungsregeln erlauben es, Unternehmensvermögen unter bestimmten Bedingungen de facto steuerfrei an die nächste Generation zu übergeben. Eine mögliche Erklärung für die Gegnerschaft gegenüber der neuen Rechtsform, die wir in diesem Kontext gehört haben, ist folgende Sorge: Bei einer möglichen erneuten Reform der Verschonungsregeln wäre die Verhandlungsposition für ihren Erhalt geschwächt. Denn Politiker*innen könnten sagen: „Wenn ihr Eure Unternehmensvermögen im Generationenübergang erbschaftsteuerlich bzw. schenkungsteuerlich freihalten wollt, dann geht doch in die neue Rechtsform.“
Damit lässt sich auch der verwunderliche Umstand erklären, dass starke Befürworter der Verschonungsregeln eine diskriminierende Sonderbesteuerung forderten: In der neuen Rechtsform sollten ihrer Meinung nach Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer auf das Unternehmensvermögen gezahlt werden – obwohl es im Rahmen der Vermögensbindung gar nicht vererbt oder verschenkt wird. Eine solche Sonderbesteuerung würde die neue Rechtsform unsachlich benachteiligen und belasten, sodass sie niemand nutzen würde.
Neben ideologischen Gründen und politischen Erwägungen: Wer würde profitieren, wenn das Nachfolgeproblem in Deutschland nicht gelöst wird?
Im unter anderem von Konrad Adenauer verfassten ersten Parteiprogramm der CDU heißt es: „Nicht der Unternehmer, sondern der Verbraucher ist (…) am Wettbewerb interessiert.” Solange Unternehmer*innen ihre eigene Nachfolge gesichert glauben, nehmen sie Nachfolgeprobleme im Markt oft billigend in Kauf. Denn jede*r Konkurrent*in, der*die ihre Nachfolge nicht geregelt bekommt, ist ein*e Konkurrent*in weniger. Eine neue Rechtsform, die eine wichtige, bisher nur für große Unternehmen gangbare Nachfolgeoption für die Breite des Mittelstandes eröffnet, mag daher nicht unbedingt im primären Interesse aller Unternehmer*innen liegen. Auch nicht im Interesse so mancher Geschäftsmodelle von Private-Equity-Gesellschaften.
Das sind Finanzinvestor*innen, die Unternehmen aufkaufen, um sie nach wenigen Jahren gewinnbringend weiterzuverkaufen – oft nachdem sie die Unternehmen restrukturiert und Kosten eingespart haben.
Ja, und darin kann ein grundsätzlicheres Problem liegen: Statt das langfristige Unternehmensinteresse in den Mittelpunkt zu stellen, geht es dann oft um kurz- oder mittelfristige Kapitalspekulationen. Und für jedes Unternehmen, das keine Nachfolgelösung findet, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit für eine spekulative Zugriffsmöglichkeit.


Sie haben vorhin den Vorwurf zurückgewiesen, Ihre Rechtsform sei fehlerhaft. Dabei ist der aktuelle Vorschlag zur Schaffung einer Gesellschaft mit gebundenem Vermögen (GmgV) bereits der dritte Gesetzentwurf, den Sie ins Spiel bringen.
Man könnte natürlich den Anspruch stellen, dass schon der erste Entwurf perfekt sein muss. Aber es war ein sehr intensiver und gründlicher Entwicklungsprozess. Am Anfang, noch unter der Großen Koalition, hieß es etwa aus dem Justizministerium: Bevor wir etwas völlig Neues vorschlagen, sollten juristische Expert*innen zunächst prüfen, wie weit sie im bestehenden GmbH-Recht kommen. Wie sich herausgestellt hat, ist das aber nicht der passende Weg. Denn qua Definition ist eine GmbH eine Vollausschüttungsgesellschaft, muss also ihr gesamtes Vermögen an Eigentümer*innen auszahlen können. Das steht der Vermögensbindung diametral entgegen. Die neue eigenständige Rechtsform ist viel näher an dem, was dem Bedarf der Unternehmen entspricht.
Inwiefern?
Der Aufsichtsverband, der die Vermögensbindung absichert, wäre im GmbH-Recht kaum möglich. Auch die Idee, Stimmrechte gegen eine festgesetzte Haftungseinlage zu übertragen und zurückzugeben, entspricht systematisch nicht der Logik von Kapitalgesellschaften wie der GmbH.
Der erste Vorschlag war also tatsächlich fehlerhaft.
Es war ein Lernprozess. Der erste Entwurf war ein wichtiger Schritt, um überhaupt eine konkrete Diskussionsgrundlage zu haben. So konnte die hochkarätig besetzte unabhängige Gruppe namhafter juristischer Expert*innen, die dann auch auf Bitte aus dem Bundestag gearbeitet hat, die verschiedenen Möglichkeiten konkret ausloten, diskutieren und am Ende eine passende und konsistente Lösung entwickeln.
Trotz einflussreicher Gegner*innen und einer kontrovers geführten Debatte stand die neue Rechtsform 2021 im Koalitionsvertrag der Ampel. Wie ist Ihnen das gelungen?
Es handelt sich einfach um ein sinnvolles, überzeugendes und dringliches Vorhaben. Aber natürlich haben wir über die Jahre kontinuierlich über das Thema informiert und Gespräche geführt, auch mit den Parteien. Vor der Wahl 2021 sind wir dann auch an die Menschen herangetreten, die in den Parteien an den Wahlprogrammen mitarbeiten. Die Kontakte in die Parteien bestanden ja bereits, und es gibt immer bestimmte Arbeitsgruppen, etwa für Rechtspolitik, die entscheiden, welche Projekte ins Programm kommen. Die Koalitionsverhandlungen selbst waren dann allerdings ein völlig abgeschotteter Raum. Wir haben erst später mitbekommen, dass wir tatsächlich im Koalitionsvertrag stehen.
Da heißt es: „Für Unternehmen mit gebundenem Vermögen wollen wir eine geeignete Rechtsgrundlage schaffen, die Steuersparkonstruktion ausschließt.“ Nun ist die Koalition ja im November 2024 zerbrochen, und auch in den Monaten bis zur Bundestagswahl Ende Februar wurde kein entsprechender Gesetzentwurf eingebracht. Woran lag’s?
Diese Regierung stand ja von Anfang an unter enormem Druck – erst Corona, dann der Krieg in der Ukraine. Das Justizministerium war zudem noch mit Corona-Ausläufern beschäftigt. Dazu kommt, dass man in Deutschland sehr darauf achtet, so wenige Rechtsformen wie möglich zu haben, und deshalb sehr vorsichtig ist, neue zu schaffen. Wir mussten sehr lange auf konkrete Aussagen über die Vorstellungen im Justizministerium warten.
Wann wurde Ihnen klar, dass die Ampel-Regierung das Gesetz nicht mehr auf den Weg bringt?
Schon im September letzten Jahres war klar, dass der verbleibende zeitliche Rahmen bis zum Ende der regulären Legislaturperiode sehr sportlich werden würde. Denn die vom Ministerium geplanten Eckpunkte für eine neue Rechtsform, die Benjamin Strasser1 damals im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung im Bundestag in Vertretung für Herrn Buschmann vorstellte, waren beispielsweise im GmbH-Recht angesiedelt und beinhalteten keine wasserdichte Vermögensbindung. Das wäre noch viel Arbeit gewesen, einen darauf aufbauenden Entwurf überhaupt ansatzweise für die Praxis nutzbar zu machen. Als die Koalition zerbrach, war dann schnell klar: Das wird in dieser Legislatur nichts mehr.
Wie geht es jetzt weiter?
Wir werden uns auch in der kommenden Legislatur dafür einsetzen, dass die Rechtsform nun endlich kommt. Die Voraussetzungen sind gut: Bei der SPD steht die neue Rechtsform, die Gesellschaft mit gebundenem Vermögen, im Wahlprogramm. Und in der Union gibt es viele Fürsprecher*innen, auch Friedrich Merz hat sich schon positiv geäußert. Auch Grüne und FDP – wenngleich letztere nun zunächst keine Rolle mehr für die konkrete Gesetzgebung spielen wird – hatten die neue Rechtsform erneut in ihre Wahlprogramme aufgenommen. Wir sind insgesamt viel weiter als nach der letzten Wahl, das Thema ist in der Breite der Politik angekommen und ein parlamentarisch initiierter, hervorragender Gesetzentwurf aus der Wissenschaft für eine eigenständige Rechtsform liegt vor. Dafür gilt es nun weiter einzutreten.
Das klingt sehr optimistisch, wird aber sicherlich ein langwieriger Prozess.
Anfangs dachten wir, vielleicht schaffen wir es noch unter der GroKo. So war unser Spirit. Dann gingen wir in die zweite Runde und jetzt in die dritte. Wir sind eine als Verein organisierte Stiftung und werden von rund 45 Unternehmen durch jährliche Mitgliedsbeiträge finanziert. Das ermöglicht unserem kleinen Team, mit einem zwar sehr überschaubaren, aber relativ stabilen Budget, diese kontinuierliche Arbeit zu leisten. Viele andere Initiativen sind nicht in dieser Situation und haben deswegen noch mal deutlich andere Herausforderungen, diese Konstanz in politischer Mitgestaltung zu entwickeln.
Sehen Sie darin ein Problem unserer Demokratie?
Im Lobbyismus grundsätzlich überhaupt nicht. Aber es gibt eine strukturelle Ungerechtigkeit. Die Seite der vermögenden Akteur*innen ist kleiner und kann sich besser organisieren, hat homogenere Interessen und viel Finanzkraft. Das ist schon ein ungeheurer Vorteil gegenüber anderen Interessengruppen. Trotzdem ist Lobbyarbeit für eine Demokratie unverzichtbar. Die Parlamentarier*innen können sich nicht mit allen Themen in der Tiefe beschäftigen. Es braucht Menschen, die Expertise und Praxiswissen einbringen. Richtig ist aber auch: Wir müssen Wege finden, dass sich tendenziell nicht vor allem die finanzstarken Interessen kontinuierlich Gehör verschaffen.

FUßNOTEN
- 1
Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz ↩