Ein Magazin wie ein richtig guter Workshop: Wir schenken dir unsere Fehler-Ausgabe.

Bewerbungsprozesse

So gelingt menschenzentriertes Recruiting

Bewerbungsprozesse sind für viele Menschen nervenaufreibend und unangenehm. Doch es geht auch anders.

Wut, Hilflosigkeit und Selbstzweifel fühlt Ira R. noch ein Jahr später, wenn sie an eine bestimmte Absage zurückdenkt. Der neue Job schien greifbar nah. Nach zwei Vorstellungsgesprächen und einer unbezahlten Testaufgabe, in der sie eine Zielgruppenanalyse und Social-Media-Strategie für das Unternehmen entwerfen und in einer Präsentation aufbereiten sollte, wurde ihr angeboten, das Team kennenzulernen. Alle versicherten ihr, dass sie sich auf sie freuten. Doch dann folgte eine standardisierte Absage. „Am meisten frustrierte es mich, dass sie mir keine persönliche Nachricht geschrieben oder sich für meine investierte Arbeit bedankt haben“, sagt R. Sie wollte wissen, woran es lag. Ihre Nachfragen blieben unbeantwortet.

Bewerbungsprozesse sind sensibel. Mehr als die Hälfte der Bewerber*innen empfinden sie als belastend, vor allem wegen Stress und Druck. Viele befürchten Ablehnung oder Enttäuschung, was sich negativ auf ihre Motivation auswirkt. Das zeigt eine repräsentative Umfrage unter 1.000 Personen, von denen rund drei Viertel angestellt oder selbstständig waren.1 Der Großteil der Befragten sagte, dass negative Erfahrungen die persönliche Bereitschaft zur erneuten Bewerbung verringern. Organisationen sollten an dieser Stelle Verantwortung übernehmen. Denn unfaire oder chaotische Bewerbungsprozesse sind nicht nur unfair den Bewerber*innen gegenüber, sondern können sich auch negativ auf die Unternehmen auswirken, sei es durch ausbleibende Bewerbungen oder negative Kommentare auf Bewertungsplattformen. Doch wie stellen Organisationen sicher, dass sie gute Entscheidungen treffen, einen für beide Parteien fairen Prozess gestalten und die besten Kandidat*innen nicht übersehen?

Trügerisches Bauchgefühl

Bewerbungsprozesse sollten auf objektiven Kriterien basieren. Doch im Recruiting sind Entscheidungen von unbewussten Vorurteilen geprägt und bestimmte Gruppen werden systematisch benachteiligt. So haben Bewerber*innen mit Migrationshintergrund, mit Behinderungen oder ältere Bewerber*innen eine um mindestens 31 Prozent geringere Wahrscheinlichkeit, auf eine Bewerbung eine positive Rückmeldung zu erhalten.2 In Bewerbungsgesprächen werden Entscheidungen für oder gegen ein*e Bewerber*in innerhalb von kürzester Zeit getroffen:

Cultural fit beschreibt die Übereinstimmung zwischen Organisationskultur und Werten sowie Verhaltensweisen der Bewerber*innen. Sie passen gut in das bestehende Team und die Werte der Organisation.
  • etwa 5 Prozent in der ersten Minute
  • rund 26 Prozent zwischen der ersten und fünften Minute
  • knapp 30 Prozent zwischen fünf und 15 Minuten.3

In so kurzer Zeit lassen sich Fähigkeiten allerdings kaum einschätzen. Stattdessen prägt unser Bauchgefühl den Entscheidungsprozess. Ein Beispiel ist der Mini-Me-Effekt. Menschen wollen oft Bewerber*innen einstellen, deren Werte mit denen der Organisation übereinstimmen. Damit sollen Spannungen im Team vermieden werden. „Das ist an sich nachvollziehbar, führt aber zu extremer Homogenität“, sagt Natalya Nepomnyashcha, Gründerin von Netzwerk Chancen. Die Organisation setzt sich für bessere Karrierechancen von Menschen aus finanzschwachen und nicht akademischen Familien ein. Sie empfiehlt, nicht nach cultural fit, sondern nach cultural add zu suchen. So kommen Menschen mit neuen Perspektiven ins Team und die Organisation kann sich weiterentwickeln. Damit das gelingt, braucht es Prozesse, bei denen objektiv festgelegte Kriterien die Entscheidungsgrundlage bilden.

Cultural add beschreibt, wie ein*e Bewerber*in mit neuen Perspektiven oder Werten die Unternehmenskultur erweitert. Es wird nicht nach der größtmöglichen Übereinstimmung gesucht, sondern nach unterschiedlichen Erfahrungen und Hintergründen.

So trefft ihr fundierte Auswahlentscheidungen

1. Anforderungsprofil

Ein Anforderungsprofil sollte die Grundlage für ein vergleichbares Auswahlverfahren bilden. Es definiert, welche Kompetenzen für die Position entscheidend sind. Denn zu selten fragen Organisationen sich, welche Eigenschaften für die ausgeschriebene Rolle tatsächlich relevant sind. In Stellenanzeigen drückt sich das oft durch vage Begriffe aus. Bewerber*innen sollen engagiert, flexibel, teamfähig und kreativ sein, am besten alles gleichzeitig. Organisationen sollten sich lieber fragen: Welche Fähigkeiten sind unerlässlich? Welche Kompetenzen können während der Einarbeitungsphase aufgebaut werden? Manche Organisationen wissen nicht genau, welche Fähigkeiten und Verhaltensweisen ausschlaggebend sind. In diesem Fall hilft ein verhaltensbezogenes Anforderungsprofil. Damit können diese Eigenschaften sichtbar und vergleichbar gemacht werden. Denn Menschen haben oft unterschiedliche Vorstellungen von denselben Kompetenzen. Während jemand unter Teamfähigkeit verstehen könnte, dass eine Person harmonisch im Team agiert, könnte es für jemand anderes bedeuten, aktiv seine Meinung einzubringen und Diskussionen anzuregen.

Wie erstelle ich ein verhaltens-bezogenes Anforder-ungsprofil?

1. Wichtigste Aufgaben definieren

Was sind die wichtigsten Aufgaben der Rolle?

Beispiel: Eine zentrale Aufgabe von Redakteur*innen ist die fristgerechte Fertigstellung von Artikeln.

Welche Verhaltensweisen sind notwendig, um diese Aufgaben gut zu erfüllen?

Beispiel: klare Zeitplanung, frühzeitiges Einholen von Informationen, Abstimmung mit Lektor*innen und Grafiker*innen

2. Erfolgskritische Verhaltensweisen analysieren

Um erfolgskritische Verhaltensweisen für das Anforderungsprofil zu identifizieren, hilft die Methode der kritischen Ereignisse. Mit ihr werden konkrete Situationen aus dem Arbeitsalltag analysiert, in denen ein Verhalten besonders positive oder negative Auswirkungen hat. Fragt dafür die Personen, die am meisten über die zu besetzende Rolle wissen. Dazu gehören die aktuellen Rolleninhaber*innen oder Teammitglieder. Erkundigt euch nach besonders effektiven als auch nach besonders ineffektiven Verhaltensweisen der Rolleninhaber*innen in der Vergangenheit. Zum Beispiel: „Bitte schildert mir eine Situation, in der eine gute oder schlechte Leistung erbracht wurde.”

Notiert folgende Punkte:

  1. Was ist passiert?
  2. Wie hat die Rolleninhaber*in in dieser Situation reagiert?
  3. Was war daran positiv oder negativ?

Beispiel:
Kritisches Ereignis: Ein*e Redakteur*in gibt einen Artikel nicht fristgerecht ab und informiert die Redaktion erst am Tag der Abgabe über Verzögerungen. Sie muss für den Text noch ein Recherchegespräch führen, das transkribiert und in den Text eingearbeitet werden muss.

Verhalten der Rolleninhaber*innen: Rolleninhaber*in kommuniziert nicht rechtzeitig über die mögliche Verzögerung. Sie hatte den Zeitaufwand für den Artikel falsch eingeschätzt.

  • Negativ daran: Die Redaktion gerät unter Zeitdruck, da der Artikel in den Produktionsablauf eingeplant war. Lektor*innen und Grafiker*innen haben keinen Artikel, mit dem sie arbeiten können. Das verzögert den gesamten Arbeitsablauf. Es muss kurzfristig nach einer Alternativlösung gesucht werden, was zusätzlichen Stress verursacht.

  • Positiv (alternatives Verhalten): Die*der Redakteur*in prüft frühzeitig, ob alle benötigten Informationen vorliegen und passt die Planung entsprechend an. Sie meldet potenzielle Verzögerungen rechtzeitig an das Team, sodass Alternativen oder Anpassungen möglich sind. Sie fordert Unterstützung an, um die Deadline einzuhalten.

3. Überkategorien bilden

Wiederholte Nennungen zu zentralen erfolgskritischen Verhaltensweisen bilden Überkategorien. Präzise und beobachtbare Verhaltensweisen werden in messbare Unterdimensionen übersetzt:

  1. Zeitmanagement: realistische Zeitplanung, Priorisierung von Aufgaben
  2. Kommunikation: frühzeitige und proaktive Kommunikation bei Verzögerungen, Einholen von Unterstützung bei Engpässen

4. Validierung und Feedback

Sind die Unterdimensionen im Vorstellungsgespräch und bei Arbeitsproben messbar?

Haltet Rücksprache mit relevanten Ansprechpartner*innen, um alle wichtigen Verhaltensweisen zu validieren.

5. Bewertungsskala erstellen

Entwickelt ein Bewertungsschema, das auf der Anforderungsanalyse basiert. Definiert für jede Anforderung beobachtbare Kriterien und legt eine Skala für eine systematische Fremdeinschätzung fest, zum Beispiel von 1 (überhaupt nicht erfüllt) bis 7 (voll und ganz erfüllt). Bewertet jede Bewerbung anhand dieser Skala. Addiert die erzielten Punkte, um eine objektive Vergleichbarkeit zwischen Bewerber*innen herzustellen.4

2. Bewerbungsunterlagen

Namen und äußere Merkmale beeinflussen die Chancen auf dem Arbeitsmarkt, unabhängig von der tatsächlichen Eignung.5 Demografische Angaben und Fotos sollten daher bei der Bewerbung weggelassen werden. Idealerweise fordern Organisationen diese Daten nicht an. Für anonyme Bewerbungen können Namen in Bewerbungstools separat hochgeladen oder von einer im Prozess unbeteiligten Person geschwärzt werden. Generell sollten mindestens zwei Personen im Auswahlprozess beteiligt sein, um individuelle Verzerrungen zu reduzieren.

Doch nicht nur persönliche Merkmale, sondern auch Abschlüsse und Referenzen sind anfällig für Vorurteile. Ein positives Merkmal, wie eine renommierte Universität, überstrahlt das Gesamtbild einer Person. Nach Nepomnyashchas Einschätzung werden formale Kriterien oft überbewertet. Denn es werde unterschätzt, wie gut sich Fähigkeiten aus vorherigen Jobs auf neue Rollen übertragen lassen. Sie führt ein Beispiel an: Eine Bewerberin bewirbt sich auf eine Rolle im Projektmanagement. Viele Arbeitgeber*innen würden ein abgeschlossenes Studium voraussetzen. Die Bewerberin hat zwar keinen Studienabschluss, aber ein Café geleitet. In dieser Rolle musste sie wirtschaftlich denken, Prozesse optimieren und unter Druck schnelle Entscheidungen treffen. Alles Fähigkeiten, die essenziell für das Projektmanagement sind. Für Nepomnyashcha wäre der fehlende Abschluss völlig unerheblich, weswegen sie die Bewerberin zu einem Kennenlerngespräch einladen würde.

3. Bewerbungsgespräche

Fast jedes Bewerbungsverfahren beinhaltet früher oder später ein oder mehrere Vorstellungsgespräche. Bewerber*innen möchten häufig vor allem mit ihrem Charakter und ihrer Motivation überzeugen, während Organisationen versuchen, die beste Besetzung für die Rolle zu finden. Noch immer sind bei Bewerbungsgesprächen vor allem in kleinen und mittleren Unternehmen unstrukturierte Interviews weit verbreitet, in denen weder konkrete Fragen noch ihre Reihenfolge festgelegt sind. Dadurch lassen sich Bewerber*innen kaum objektiv vergleichen. Zudem ist schwer vorherzusagen, wer die Rolle später am besten ausfüllen wird – zu groß ist der Einfluss subjektiver Eindrücke.

Strukturierte Interviews hingegen zählen zu den aussagekräftigsten Personalauswahlverfahren überhaupt und folgen einem klaren Prinzip: Allen Bewerber*innen werden die gleichen Fragen in derselben Reihenfolge gestellt, um eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten. Hierbei werden vor allem biografische, situative und fachliche Fragen verwendet.

  • Biografische Fragen zielen darauf ab, vergangene Erfahrungen von Bewerber*innen zu untersuchen: „Kannst du uns ein Beispiel nennen, wie du in der Vergangenheit einen beruflichen Konflikt gelöst hast?“
  • Situative Fragen zielen darauf ab, wie Bewerber*innen in zukünftigen Szenarien handeln würden: „Stell dir vor, du arbeitest an einem Artikel und die Deadline wird um eine Woche vorgezogen. Wie würdest du reagieren?“
  • Fachliche Fragen überprüfen das spezifische Know-how der Bewerber*innen: „Was ist deine bevorzugte Methode, um sicherzustellen, dass die Fakten in einem Artikel gründlich überprüft werden?“

4. Arbeitsproben und Probearbeiten

Arbeitsproben zählen zu den verlässlichsten Methoden zur Einschätzung fachlicher Fähigkeiten. Sie zeigen, ob jemand eine Aufgabe realitätsnah bewältigen kann, und sind weniger anfällig für unbewusste Vorurteile. Arbeitsproben können vorab, zum Beispiel als Textproben im Journalismus, eingereicht oder im Bewerbungsprozess als Probearbeit durchgeführt werden. Bewerber*innen sollten zuvor über den Zeitaufwand und ein mögliches Honorar informiert werden. Wichtig ist, dass Organisationen Probearbeiten nicht ausnutzen, um sich Konzepte und Ideen kostenlos erstellen zu lassen. Es sollte ein fairer Austausch sein, von dem beide Seiten profitieren. Bei längeren Aufgaben sollte daher eine angemessene Vergütung angeboten werden. Die Probeaufgabe soll eine realistische Vorschau auf die zukünftige Rolle bieten. Muss der Job unter Zeitdruck und Beobachtung erledigt werden, kann es sinnvoll sein, dies zu testen, etwa indem Aufgaben in Anwesenheit anderer gelöst werden.

Ein Prozess auf Augenhöhe

Wer sich bewirbt, investiert Zeit und geht bei einem möglichen Jobwechsel ein Risiko ein. „Wenn sich Menschen bewusst mit einer Organisation auseinandersetzen, sollte das mit Respekt anerkannt werden”, sagt Kiki Radicke. Sie leitet den Bereich People & Culture bei Adacor Hosting, einem mittelständischen IT-Unternehmen in Hessen.

Wertschätzendes Recruiting bedeutet für sie, Zusagen einzuhalten und schnelle Kommunikation statt unnötiger Verzögerung. „Gar keine Rückmeldung auf eine Bewerbung zu erhalten, ist ein absolutes No-go.” Das sei respektlos, aber keine Seltenheit. Knapp drei Viertel von rund 1.200 befragten Student*innen und Berufsanfänger*innen zwischen 18 und 30 Jahren haben schon einmal Ghosting erlebt. Sie wurden also nach Beginn des Bewerbungsprozesses ignoriert.6 Außerdem frustrieren Bewerber*innen lange Wartezeiten. Intransparente Gehaltsangaben, lang dauernde Recruitingprozesse und umständliche Bewerbungsverfahren empfinden viele als störend.7

Um einen Austausch auf Augenhöhe zu ermöglichen, versendet Radicke vor Bewerbungsgesprächen Steckbriefe der Recruiter*innen an die Kandidat*innen. Während Organisationen viele Informationen über die Bewerber*innen haben, wissen diese wenig über ihre Gesprächspartner*innen. Die Steckbriefe geben vorab einen Einblick, wer ihnen im Gespräch gegenübersitzt. Sie enthalten Informationen über die Dauer der Organisationszugehörigkeit, den eigenen Karriereweg und Hobbies.

Für Eltern oder Alleinerziehende kann die Terminfindung herausfordernd sein, besonders ohne Unterstützung bei der Kinderbetreuung. Deshalb bietet Radicke familienfreundliche Bewerbungsgespräche an. Das Gespräch findet dann im Eltern-Kind-Büro statt. „Ein Bewerbungsgespräch sollte sich an die Lebensrealität der Bewerber*innen anpassen, nicht umgekehrt”, sagt Radicke. Dazu gehört es, bei der Terminfindung flexibel zu sein und nicht nur einen fixen Termin vorzugeben.

Bewerbungs-kompass: Fünf Schritte für mehr Transparenz

Bewerber*innen möchten wissen, worauf sie sich einlassen. Eine durchgängige Kommunikation von Anfang an sorgt dabei für Orientierung.

  • Bewerbungsschritte: Skizziert alle Schritte im Bewerbungsprozess und die voraussichtliche Dauer des Prozesses in der Ausschreibung oder auf eurer Karriereseite.
  • Ansprechperson: Ein direkter Kontakt reduziert Unsicherheiten, hilft bei Rückfragen und der Klärung besonderer Bedürfnisse.
  • Datenverarbeitung: Gebt an, welche Daten ihr erhebt, ob KI-Tools oder Social-Media-Checks zum Einsatz kommen. Hinterfragt kritisch, ob es diese Daten überhaupt braucht.
  • Gehaltsbänder: Bewerber*innen sollten frühzeitig wissen, in welchem Rahmen sich das Gehalt bewegt. Das verhindert spätere Enttäuschungen auf beiden Seiten. In Österreich sind Gehaltsangaben bereits Pflicht. Ab 2026 sollen auch in Deutschland Einstiegsgehälter und Gehaltsspannen transparenter kommuniziert werden. Organisationen müssen dann diese Informationen vor Vertragsabschluss bereitstellen, etwa in Stellenausschreibungen oder vor Bewerbungsgesprächen.
  • Bewerbungsunterlagen: Schickt nach Eingang der Bewerbungsunterlagen eine automatisierte Eingangsbestätigung. Meldet euch innerhalb weniger Tage zurück und gebt den Bewerber*innen Bescheid, wenn sich Prozesse verzögern.

Wie geht es weiter?

Oft gibt es mehrere überzeugende Bewerber*innen, aber nur eine freie Stelle. Entscheidet ihr euch gegen eine Person, sollte eine respektvolle Absage zeitnah und nachvollziehbar sein. Haben mehrere Kandidat*innen euer Interesse geweckt, lohnt es sich nachzufragen, ob eine Aufnahme in den Talentpool gewünscht ist. Dort können sich Bewerberinnen eintragen, für die aktuell keine passende Stelle frei ist. Bei einer neuen Vakanz kann dann zuerst auf den Talentpool zurückgegriffen werden. Das spart Zeit, Kosten und den Aufwand eines neuen Rekrutierungsprozesses. Der Talentpool sollte aber nicht nur zur Datensammlung dienen. Es lohnt sich, die Beziehungen aktiv zu pflegen, etwa durch Einladungen zu Veranstaltungen, Unternehmensupdates oder Hinweise zu neuen Jobangeboten. So bleibt der Kontakt lebendig.

Ein wertschätzender Bewerbungsprozess kann dafür sorgen, dass auch eine Absage fair verläuft. Abgelehnte Bewerber*innen können trotzdem positive Erfahrungen sammeln. Auch Ira R. hatte bei einer anderen Organisation eine solche Erfahrung. Dank ausführlichem Feedback wusste sie, in welchen Bereichen sie sich weiterentwickeln konnte, und erkannte ihre Stärken. Statt Frust blieb in diesem Fall das Gefühl, gesehen worden zu sein – selbst wenn es mit der Zusammenarbeit nicht geklappt hat.

FAQ: Umgang mit schwierigen Situationen

Mehrere Kandidat*innen sind gleich gut. Wie entscheide ich mich?

Manchmal scheinen auf den ersten Blick mehrere Personen gleichermaßen zu überzeugen. Doch eine strukturierte Abwägung zeigt meist, wer langfristig den größten Mehrwert für das Team bietet. Nepomnyashcha könnte sich vorstellen, Kandidat*innen eine Chance zu geben, die weniger Erfahrungen in der Position haben, aber neue Impulse einbringen können. In solchen Fällen hilft es, noch einmal auf die zentralen Anforderungen zu schauen. Wer erfüllt die Kernkompetenzen besser? Wer ergänzt das Team durch neue Perspektiven?

Der*die Bewerber*in möchte nach einer Absage ausführliches Feedback haben. Was tun?

Für Bewerber*innen ist eine Rückmeldung wichtig, um sich für zukünftige Bewerbungen zu verbessern. Doch um sich rechtlich nicht angreifbar zu machen, wie etwa für etwaige Klagen auf Basis des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, sichern sich viele Arbeitgeber*innen besonders am Anfang des Prozesses durch Standardabsagen ab. Wenn ihr Kandidat*innen spät im Prozess nach vielen Gesprächen absagt, ist ein persönliches Gespräch der wertschätzende Weg. Gerade in dieser späten Phase haben Bewerber*innen viel Zeit und Energie investiert. Eine standardisierte Absage per E-Mail wird dem nicht gerecht.

Das ist in vielen Unternehmen aus Kapazitäts- und Rechtsgründen aber nicht umsetzbar. Wo ein persönliches Gespräch nicht möglich ist, solltet ihr zumindest eine einfühlsame persönliche E-Mail schicken. In dieser könnt ihr den Bewerber*innen für ihr Interesse und die investierte Zeit danken, erklären, dass die Ablehnung nicht fehlender Eignung, sondern sehr vieler guter Bewerbungen geschuldet ist, und transparent machen, warum ihr keine genauere Rückmeldung geben könnt: „Wir hatten sehr viele gute Kandidat*innen für die Stelle und haben uns letztlich für jemand anderes entschieden. Wir wissen, dass Absagen enttäuschend sein können und möchten dir gern mitgeben, dass wir deine Qualifikationen und Erfahrungen in XX sehr geschätzt haben. Wir bitten um Verständnis, dass wir aus internen Gründen kein detaillierteres Feedback geben können.” Radicke empfiehlt bei dringlichen Feedbackwünschen ein telefonisches Gespräch, um sachlich zu erklären, was nicht gepasst hat.

FUßNOTEN

Das Cover unserer Fehler-Ausgabe auf einem Tablet

Sichere dir eine Gratis-Ausgabe!

Lust, mal in unserem Magazin zu blättern? In der Ausgabe, die wir dir als PDF zuschicken, geht es um das Thema Scheitern. Niemand spricht gerne über Fehler. Trotzdem passieren sie jeden Tag. Wie lässt sich aus Fehlern lernen?

Nie wieder schlechte Meetings!

In der aktuellen Ausgabe erfährst du, wie du aus schlechten Meetings richtig gute machen kannst.