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Eine Gruppe von Menschen rennt einen Pfad herunter. Eine von ihnen sitzt im Rollstuhl.
Sustainable Leadership

So geht nachhaltige Führung

  • Text: Juli Katz
  • Illustration: Andrea Wandinger

Entscheidend für den nachhaltigen Umbau einer Organisation sind Menschen in Führungspositionen. Sie müssen regeneratives Handeln verinnerlichen und in der Organisation verankern. Dazu gehört auch, mit Widerständen und Vorurteilen umzugehen.

Das Einführen nachhaltiger Prozesse bringt insbesondere für Führungskräfte viele Herausforderungen mit sich. Unter dem Begriff Sustainable Leadership kursieren verschiedene Ansätze, wie sie diesen gerecht werden können. Ihnen allen ist gemein, dass sie die Verantwortung, die Unternehmen als Teil einer Gesellschaft tragen, reflektieren und die Vision eines nachhaltigen Umgangs mit Mensch und Umwelt verfolgen. Da Führungskräfte maßgeblich dafür verantwortlich sind, neue Ideen umzusetzen, sind sie zentrale Akteur*innen, wenn es darum geht, ein Umdenken anzustoßen und nachhaltige Strategien zu finden.

Sustainable Leadership zielt auf Langfristigkeit ab. Deshalb sind oft nicht direkt Erträge oder Erfolge zu sehen. Doch genau darum geht es: nachhaltig in die Zukunft zu investieren – und zwar nicht nur für ein einzelnes Unternehmen, sondern für eine bessere Welt. Im Falle der Sustainable Leader heißt das, dass sie nicht nur für sich und aktuelle Unternehmensbelange agieren, sondern eben auch für all die Belange nachfolgender Generationen. In diesem Prozess betrifft die Umstellung auf Nachhaltigkeit alle Ebenen: vom Energiebedarf in der Produktion bis hin zu den Arbeitsbedingungen im Büro.

Eine Kaffeetasse mit der Aufschrift „Bester Chef für die Welt“
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Erst die Reflexion, dann die Arbeit

Sustainable Leader müssen Nachhaltigkeit nicht nur wollen, sondern auch imstande sein, radikal und innovativ zu denken. Das heißt nicht, alles Bestehende umzuwerfen, sondern es klug in neue Prozesse zu integrieren, schreiben der Leadership-Coach Wolfgang Zimmermann und seine Mitautoren in ihrem Buch Sustainability Leadership (2024).

Hierbei empfiehlt Zimmermann ein langsames Nach-vorne-Stolpern, also sich entlang der Kernprozesse der Unternehmen in kleinen Initiativen voranzutasten. Für ein Medienunternehmen könnte das zum Beispiel bedeuten, erst einmal eine funktionierende Mülltrennung einzuführen, dann auf recycelbares Papier umzusteigen und erst später von Print auf Digital.

Doch damit solche Veränderungsprozesse gelingen, müssen Sustainable Leader zunächst ihre eigene Position finden. Um wirklich authentisch in der Rolle führen zu können, gilt es, die eigenen Werte in Bezug auf Nachhaltigkeit kritisch zu reflektieren. Wer als Restaurantchef*in noch nie über seine Haltung zu Gesundheits- und Umweltschäden durch Fleischkonsum nachgedacht hat, wird sich wahrscheinlich damit schwertun, ein überzeugendes vegetarisches oder veganes Angebot aufzustellen. Wichtig ist es allemal, eine stabile Haltung zu entwickeln. Denn wie es Zimmermann ausdrückt: „Es wird Rückschläge geben – hier nicht den Kompass zu verlieren, ist eine Herausforderung.“ Externe Unterstützung durch Coaches oder Weiterbildungen können den Prozess unterstützen.

Veränderung mit Methode

Um überhaupt eine Veränderung herbeiführen zu können, bedarf es aber nicht nur der richtigen Überzeugung, sondern auch entsprechender Methoden. Gerade in Wandlungsprozessen, in denen neue Werte etabliert werden, sind ausgeprägte zwischenmenschliche Fähigkeiten wichtig. Heißt: klar und ehrlich kommunizieren, zuhören, unterstützen.

Nachhaltigkeitsthemen entspringen oft gesellschaftlichen Debatten und werden von Mitarbeitenden ins Unternehmen gebracht. Als Führungskraft mit Vorbildfunktion ist es an dieser Stelle wichtig, die Mitarbeiter*innen zu motivieren, in eigene Projekte oder Ideen zu investieren – und sie einerseits weiterzutragen, wenn etwas Vorzeigbares vorhanden ist, andererseits aber auch realistisch einzuschätzen. Konkret heißt das, abzuwägen, welche Mittel, welches Wissen und welche Fähigkeiten einbezogen werden können – und welche nicht. Gerade in einem langwierigen Prozess hilft es, auch Nichtwissen zuzugeben. Sich gemeinsam Wissen zu erarbeiten, kann die Teamfähigkeit stärken. Und Neugierde, Ergebnisoffenheit, konstruktiver Zweifel sowie Mut für neue Fragen unterstützen den Weg in die Nachhaltigkeit.

Gerangel statt Konflikt

In Transformationsprozessen müssen oft alte und neue Prämissen miteinander vereint werden. Mit Nachhaltigkeit kommen zu den Anforderungen an Produktqualität, Rechtssicherheit und Wirtschaftlichkeit Punkte wie Öko-Effizienz und der schonende Umgang mit Ressourcen hinzu. Das ist sehr viel auf einmal. Deshalb müssen die Konsequenzen von Entscheidungen manchmal gegeneinander abgewogen werden. Der Wirtschaftswissenschaftler Georg Müller-Christ hat dafür das Wort „Gerangel“ gefunden.

Hierbei kann es zu Konflikten zwischen kurzfristigem Ergebnisdruck und strategischen Entscheidungen kommen, beschreibt Zimmermann. Gerade in Umbruchphasen oder bei der Umsetzung neuer Maßnahmen hilft deshalb Ambiguitätstoleranz, also die Fähigkeit, auszuhalten, dass es nicht immer die eine Lösung gibt. Diese notwendigen und wichtigen Wertkonflikte und Verteilungskämpfe bieten die Möglichkeit, sich neu zu ordnen. Oft zeigt sich Zimmermann zufolge, dass die Lösung nicht im „Entweder-Oder“ liegt, sondern im „Sowohl-als-auch“. Außerdem kann es auch zu den Aufgaben einer Führungskraft gehören, Kolleg*innen aus alten Routinen herauszuführen.

Fünf überlappende Kreise mit den Aufschriften Nachhaltigkeit, Effizienz, Ethik, Funktionalität und Legalität
Das Gerangel der Prämissen bei nachhaltiger Führung

Nachhaltigkeit ist Teamarbeit

Die Anforderungen an nachhaltig wirkende Führungskräfte sind also sehr vielfältig. Deshalb kann es nicht an einzelnen Personen liegen, ganze Unternehmen nachhaltiger zu gestalten. Immerhin können auch diese nur so handeln, wie es der Unternehmensrahmen akzeptiert. Wenn das Unternehmen selbst gar nicht hinter einer nachhaltigen Zielsetzung steht, ist es wichtig, ehrlich zu bleiben und die Ideen mit der Realität abzugleichen – und eben das umzusetzen, was möglich ist. Ein Windelunternehmen wird nicht von einem auf den anderen Tag keine Windeln mehr herstellen – aber Sustainable Leader könnten durchsetzen, dass es dies mit möglichst nachhaltigen Stoffen tut und keine Ressourcen unnötig verschwendet werden.

Deshalb ist der wohl wichtigste Punkt, den Zimmermann macht, dass Sustainable Leadership immer nur so gut ist wie die Bedingungen, in denen Führungskräfte agieren können und dürfen. Die patriarchale Heldengeschichte von dieser einen Führungskraft, die alle in die Nachhaltigkeit führt, ist nicht mehr zeitgemäß. Es geht um das Gesamtsystem des Unternehmens, das nachhaltiges Wirtschaften ermöglichen will. Und dazu gehören alle.

3 Tipps im Umgang mit typischen Herausforderungen bei Sustainable Leadership

1. Dein Team aus der Negativspirale holen

Ja, Veränderungen sind anstrengend. Ja, sie dauern manchmal echt lange. Und ja, manchmal bleiben auch die Erfolgserlebnisse aus. Da kann es gut sein, dass Einzelpersonen oder ganze Teams mal das große Ganze aus dem Blick verlieren und sich eher auf Ängste fokussieren. Oft reiten Mitarbeitende auf den Problemen nachhaltiger Projekte herum, statt Lösungen zu suchen. Auch das gehört zum Prozess!

Hier ehrlich und offen zu kommunizieren, dass manchmal viel Ausdauer notwendig ist, um ein größeres Ziel zu erreichen, ist eine Möglichkeit. Wichtig für dich als Führungskraft ist aber, nicht über die Bedenken deines Teams hinweg zu kommunizieren, sondern Raum für diese zu schaffen.

Eine Möglichkeit sind Miesepeter-Meetings, also Feedbackrunden, in denen erst mal alle Vorbehalte geäußert werden können. Diese werden in einem späteren Prozess dann noch einmal aufgegriffen und integriert.

2. Als Führungskraft deine*n Chef*in überzeugen

Gerade wenn Nachhaltigkeit in deinem Unternehmen bisher kein Thema war, ist es manchmal schwierig, nachhaltige Projekte auf die Agenda zu bringen. Immerhin sind nachhaltige Maßnahmen ein Investment, das sich nicht direkt auszahlt. Wie kannst du deine Chef*innen also überzeugen?

  • Wenn du eine Idee hast, recherchiere schon mal, bastle eine grobe Tabelle oder formuliere konkrete Möglichkeiten zur Umsetzung. Das Ziel ist, etwas Vorzeigbares zu haben.
  • Mit deiner Vorlage kannst du Entscheider*innen ins Gespräch bitten. Überlege dir vorher, welche Gegenargumente kommen könnten, wie du sie entkräften kannst und warum dein Anliegen langfristig auch für das Unternehmen gut ist. Konkrete Zahlen, Daten und Hochrechnungen sind gut. Aber du brauchst auch emotionale Anknüpfungspunkte: Welche Positiv- und Negativszenarien berühren die andere Person und machen sie zu deinem*deiner Verbündeten?
  • Nutze integratives Entscheiden, um Einwänden und Bedenken zu begegnen. Orientiere dich dabei an diesen drei Punkten: (1) Wie muss ich meinen Vorschlag ändern, um Bedenken aufzulösen? (2) Unter welchen Bedingungen wären meine Chef*innen bereit, sich auf meinen Vorschlag einzulassen? (3) Was kann im schlimmsten Fall passieren, wenn wir das Thema angehen? Wie können wir das antizipieren?
Ein Wegweiser, der in vier verschiedene Richtungen zeigt

3. Kleine Schritte groß wirken lassen!

Große und abstrakte Probleme müssen erst einmal analysiert werden, um konkrete Handlungswege abzuleiten. Aber hier besteht die Gefahr, dass so viele Ressourcen in die Analyse gesteckt werden, dass es gar nicht erst zur Umsetzung kommt. Doch es gibt Gegenmittel:

  • Konkrete Fragestellungen helfen, die Analysephase zu planen und sich nicht zu verzetteln: Wie lange planen wir konkret für die erste Analysephase ein? Was wollen wir wissen und erreicht haben? Wer sollte daran beteiligt sein? Welche Fähigkeiten und welches Wissen bringen diese Personen mit?
  • Hilfreich ist, in kleineren Schritten zu planen. Guckt also lieber erst mal, was die kommenden Tage umgesetzt werden kann (bessere Mülltrennung), was in einem Monat (nachhaltigerer Stromanbieter), was in einem Jahr (Umstellung von Print- auf Onlineprodukte) und was in fünf Jahren, statt die nächsten 20 bis 30 Jahre durchzuplanen.

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Über die Autorin

Juli Katz schreibt als freie Journalistin für verschiedene Medien vor allem über sozialpolitische Themen. Das Thema Arbeit gehört zu ihren journalistischen Schwerpunkten.

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