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Eine Collage: In der Mitte ein rosafarbenes, aggressiv schauendes Sparschwein, darum Menschen, die angstvoll schauen. Im Hintergrund sind Hochhäuser und Windräder zu sehen.
Milliarden vs. Milliardäre

Geld muss endlich Teil der Lösung werden!

Eigentlich blicken wir bei Neue Narrative eher auf die halb vollen als auf die halb leeren Gläser. Aber in dieser Kolumne wollen wir die Aufmerksamkeit auf ein Thema lenken, das uns wütend macht: Rein gewinnorientiertes Investieren verschärft die Krisen unserer Zeit. Wir müssen endlich anfangen, Geld so einzusetzen, dass es Mensch und Umwelt nützt.

Der Klimawandel schreitet voran, sechs von neun planetaren Grenzen sind bereits überschritten.1 Hinzu kommen Kriege, Flüchtlingsströme, zerfallende Demokratien und der Aufstieg des Populismus. Kein Wunder, dass bei so vielen schlechten Nachrichten immer mehr Menschen aufhören, Nachrichten zu konsumieren.2 Irgendetwas scheint ganz grundsätzlich schiefzulaufen in unserer Welt.

Ein Blick auf das globale Wirtschaftssystem zeigt: Einerseits erschaffen wir all die genannten Probleme, andererseits häufen wir aber auch unvorstellbare Mengen an Vermögen an. Allein das reichste ein Prozent der Deutschen besitzt geschätzte fünf Billionen Euro3 – ein gewaltiger Berg an Kapital, der von Jahr zu Jahr weiter wächst.

Mit diesem Kapital könnten wir all die großen Probleme unserer Zeit angehen: Fünf Billionen Euro, damit ließe sich fast die komplette deutsche Volkswirtschaft auf klimaneutral umbauen.4 Das hätte die bestmögliche soziale Rendite. Stattdessen investieren wir unser ökonomisches Kapital aber dort, wo es die größte finanzielle Rendite erzielt. Im Ergebnis kippen wir immer weiter Öl ins Feuer, statt es endlich zu löschen.

Das Vermögen des obersten Prozents in Deutschland reicht, um die gesamte deutsche Wirtschaft klimaneutral zu machen.
Cover der 22. Ausgabe von Neue Narrative

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Ein Erbe mit Nebeneffekten

Mark Fisher sagte treffend: „Es ist einfacher, sich das Ende der Welt als das Ende des Kapitalismus vorzustellen.“ Und so handeln wir auch kollektiv: Viele akzeptieren lieber die Zerstörung unserer Lebensgrundlage, als unsere Wirtschaftsweise zu hinterfragen. Ganz so, als ob diese gottgegeben und unveränderlich sei.

Doch unser Wirtschaftssystem beruht nicht auf kosmischer Fügung – es ist menschengemacht und kann jederzeit verändert werden. Das sollten wir auch dringend tun, denn derzeit funktioniert es wie eine lange, komplizierte Formel mit einer einzigen Zielfunktion: Kapitalmaximierung. Schädliche Nebeneffekte wie die Zerstörung natürlicher Ökosysteme oder soziale Ungleichheit werden in dieser Formel nicht berücksichtigt.

Ein Kasten, in dem ein Hammer hängt. Auf der Scheibe steht: „In case of emergency, break the system“.

In Zeiten des Mangels wie nach den Weltkriegen war es sicher sinnvoll, den Fokus auf Kapital- und Vermögensaufbau zu legen. Doch in der heutigen Welt erscheint es absurd, weiter ein System zu unterhalten, das allein auf Geldvermehrung und Konsum ausgelegt ist. Schließlich leben wir schon lange nicht mehr im materiellen Mangel, sondern im Überfluss. Der Wohlstandsmotor läuft auf vollen Touren. Er hat allerdings eine Schwachstelle: Er benötigt unbegrenzte Ressourcen und verheizt alles, was wir ihm füttern – einschließlich natürlicher Ressourcen, sozialer Strukturen und unserer mentalen Gesundheit.

Was wir also brauchen, sind Alternativen zu diesem zerstörerischen Lebensentwurf. Angefangen bei einem Wirtschaftssystem, das fair, ressourcenschonend und regenerativ ist – das also mehr Ressourcen schafft, als es verschlingt, mehr Systeme aufbaut, als es zerstört. Eine solche Art zu wirtschaften ist möglich. Wir müssen dafür bloß die Zielfunktion unseres Wirtschaftssystems ändern.

Geld ist heute das Problem

Im deutschen Grundgesetz steht es klar und deutlich: „Eigentum verpflichtet.“ Damit ist nicht gemeint, dass der Besitz von Vermögen dazu verpflichtet, dieses ohne Rücksicht auf den Rest der Welt zu vermehren. Doch im Zeitalter des Shareholder-Kapitalismus ist genau das zum Normalzustand geworden: Wer viel Kapital hat, investiert nach Rendite, ohne Verantwortung für die entstehenden Schäden zu übernehmen.

Für mich sollte „Eigentum verpflichtet“ nicht nur bedeuten, die Verantwortung für Schäden zu übernehmen und diese zu vermeiden. Wenn ich mein Vermögen in Dinge investiere, die dem Planeten und der Gesellschaft schaden, dann ist das durch keine noch so hohe Rendite zu rechtfertigen. Wünschenswert wäre, dass Vermögende mit ihren Anlagen nicht nur Schäden vermeiden, sondern mit ihrem Kapital etwas Positives für die Gesellschaft beitragen. So steht es auch im Grundgesetz. Dort heißt es nach „Eigentum verpflichtet“ schließlich: „Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

Aktuell klafft zwischen Theorie und Praxis eine große Lücke. Um sie zu schließen, müssten wir entweder unser Grundgesetz der Realität anpassen und schreiben: „Eigentum verpflichtet nur sich selbst gegenüber. Jede*r ist sich selbst der*die Nächste.“ Oder wir nehmen unsere Verfassung ernst und fordern das Verhalten ein, das für das Funktionieren einer Gesellschaft schlicht nötig ist.

Themen-Kollektion: Geld

Jetzt durchstöbern!

In unserer globalisierten Welt sehen wir heute, dass vermögende Menschen oft agieren, als ob sie und ihr Kapital von allen gesellschaftlichen Problemen unberührt wären. Sie scheinen zu glauben, dass sie entweder alle Probleme mit Geld lösen oder einfach den Standort wechseln können, wenn irgendwo das Chaos ausbricht. Dass sich die reichsten Menschen der Welt für Bunker auf Neuseeland und Raumfahrten zum Mars interessieren, deutet darauf hin, dass sie lieber nach Alternativen suchen für den Fall, dass die Erde den Bach runtergeht – als ihr Vermögen dafür einzusetzen, dass das gar nicht erst geschieht.

Collage von protestierenden Menschen. Im Vordergrund eine Frau mit Megafon, im Hintergrund sieht man Hände, die einen Hammer in der Hand halten

Geld zum Teil der Lösung machen

Im Grunde ist die Lösung klar: Um von einer klimaschädlichen und Ressourcen verschlingenden zu einer klimafreundlichen und regenerativen Wirtschaft überzugehen, müssen wir das Kapital aus alten, schädlichen Strukturen abziehen und in neue, nachhaltige Unternehmen und Projekte investieren. Diese neuen Unternehmen müssen dem Ökosystem und der Gesellschaft mehr zurückgeben, als sie verbrauchen. So vollzieht sich die Transformation zu einer regenerativen Wirtschaft.

Warum das aktuell nicht passiert? Weil viele Vermögende ihr finanzielles Kapital dort investieren, wo die höchste Rendite winkt. Selbst gemeinnützige Stiftungen stecken oft ihr gesamtes Stiftungskapital in die alten, schädlichen Strukturen, um dort ungeachtet aller Nebeneffekte Renditen zu erzielen, von denen sie anschließend einen Teil in philanthropische Projekte stecken. Doch ist es wirklich sinnvoll, 99 Prozent des Kapitals in extraktive Systeme zu investieren, um dann 1 Prozent zu spenden? Wäre es nicht klüger, die Philanthropie aufzugeben und direkt in nachhaltige und regenerative Unternehmen zu investieren?

Was dem entgegensteht, ist der Rendite-Imperativ: Wer investiert, erwartet heute ganz selbstverständlich eine gewisse Rendite. Nun ist es aber so, dass Unternehmen, die nicht nur Greenwashing betreiben, sondern wirklich regenerativ wirtschaften wollen, keine Rendite von zehn Prozent pro Jahr anbieten können. In einem System, das extraktives Wirtschaften begünstigt,5 schließen sich regeneratives Wirtschaften und hohe Renditen gegenseitig aus. Im Ergebnis kommen regenerativ wirtschaftende Unternehmen entweder nicht an Kapital oder müssen sich so verbiegen, dass sie am Ende doch wieder Teil des alten, extraktiven Systems sind.

Für mich ist das Kernproblem dabei, dass Gier zur Norm geworden ist. Und die besonders Gierigen werden dafür auch noch bewundert. Dabei übernehmen sie für nichts Verantwortung als für das Vermehren des eigenen Vermögens. Doch in einer Welt, in der die Wirtschaft längst die Zügel in die Hand genommen und die Politik zum Juniorpartner gemacht hat, können wir es uns nicht erlauben, Kapital aus der Verantwortung zu entlassen. Denn es gestaltet unsere Welt – und aktuell zerstört es sie.

Vermögende sollten daher endlich in die Pflicht genommen werden, mit ihrem Kapital einen positiven Beitrag zu leisten. Ihre erste Frage sollte nicht lauten: „Wo bekomme ich die höchste finanzielle Rendite?“, sondern: „Wie kann ich die höchste soziale Rendite erzeugen?“ Wir haben schlicht nicht die Zeit, um weiter tatenlos zuzusehen und eigennütziges Verhalten als Kavaliersdelikt abzutun. Wer nur zur eigenen Bereicherung investiert, schadet schlicht der Allgemeinheit. Anders gesagt: Um vom Teil des Problems zum Teil der Lösung zu werden, müssen wir unsere Verantwortung ernst nehmen.

Wir können es uns nicht erlauben, Kapital aus der Verantwortung zu entlassen. Denn es gestaltet unsere Welt – und aktuell zerstört es sie.
Eine Collage mit Menschen und Bäumen vor einer Skyline. Ein Kind sitzt auf einem freundlich guckendem Sparschwein.

Als Gesellschaft umdenken: von extraktiv zu regenerativ

Für mich liegt die Erkenntnis darin, dass trotz der Komplexität unserer Krisen die Lösungsansätze klar sind: Wir haben unseren heutigen Wohlstand einem extraktiven System zu verdanken, das viel Kapital erzeugt, aber auch viele Probleme verursacht hat. Momentan ist unser ökonomisches Kapital größtenteils noch immer in Strukturen investiert, die diese Probleme verschärfen.

Um das vorhandene Kapital zum Teil der Lösung zu machen, müssen wir es verschieben: weg von den alten Strukturen, hin zu neuen Lösungen. Das bedeutet erstens: Menschen mit ökonomischem Kapital sollten ihre gesellschaftliche Verantwortung ernst nehmen. Das betrifft nicht nur Milliardär*innen, sondern auch andere Reiche – allein in Deutschland gibt es über eine Million Menschen mit einem Vermögen von mehr als einer Million Euro.6 Zweitens sollte der Rest der Gesellschaft diese Verantwortung der Vermögenden endlich aktiv einfordern. Schließlich tragen wir alle die Folgen.

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