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Eine weiblich gelesene Person, am Schreibtisch sitzend und eine Pflanze giesst. Der Tisch ist komplett überwuchert mit Topfpflanzen. Im Hintergrund: weitere Mitarbeiter*innen an ihren Schreibtischen, ohne Pflanzen.
Essay

So führt Selbstorganisation in eine regenerative Wirtschaft

Die meisten Unternehmen lösen das Problem der Klimakrise nicht – im Gegenteil. Durch Selbstorganisation können wir das ändern. Denn sie sorgt für ein Umdenken, wie Entscheidungen getroffen werden und wie Macht innerhalb von Organisationen verteilt ist.

93 Prozent der Europäer*innen denken, dass die Klimakrise ein ernstes Problem ist. Mehr als die Hälfte von ihnen wünscht sich einen beschleunigten Übergang zu einer grünen Wirtschaft.1Trotzdem beuten wir Mensch und Natur weiterhin aus – unsere Wirtschaft ist extraktiv. Wie kann das sein?

Unser System begünstigt und belohnt Extraktion: Unternehmen sind auf Profitmaximierung ausgelegt, damit sie konkurrenzfähig bleiben. Das macht es denjenigen schwer, die ihr Wirtschaften an der Wirkung auf Planet und Gesellschaft orientieren wollen. Ein Unternehmen beispielsweise, das freiwillig Emissionen ausgleicht und nachhaltigere und damit teurere Rohstoffe bezieht, hat finanzielle Nachteile gegenüber einem Unternehmen, das sich das Geld und den Aufwand spart.

Das Problem ist systemisch und lässt sich auf der Organisationsebene kaum lösen: Ein Unternehmen, das durch seine Eigentumsstruktur auf Profitmaximierung ausgelegt ist, lässt sich nicht allein dadurch umkrempeln, dass Hierarchien aufgelöst und neue Modelle der Zusammenarbeit eingeführt werden. Wenn ein Unternehmen Shareholder*innen gehört, die vor allem eine Rendite auf ihr Investment erwarten, ist es sehr schwierig, nachhaltige Entscheidungen zu treffen.

Warum hat die Transformation hin zu einer regenerativen Wirtschaft trotzdem auch damit zu tun, wie in Unternehmen gearbeitet wird, wie Entscheidungen getroffen werden und wie Macht innerhalb von Organisationen verteilt ist?

Wie funktioniert Regeneratives Wirtschaften?

New Work Glossar

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Gute Menschen in schlechten Systemen

Gerade mal 100 Konzerne sind für 70 Prozent der weltweiten Emissionen verantwortlich, darunter das Kohleunternehmen China Coal Energy, das Erdölunternehmen Saudi Aramco und die russische Erdgasfirma Gazprom.2Wie sehen diese Organisationen aus, die für das Wirtschaften von gestern und die Zerstörung unserer Lebensgrundlage stehen? Sie sind unter anderem durch diese drei Eigenschaften charakterisiert:

  • Sie wirtschaften extraktiv, ihr Geschäftsmodell basiert also darauf, mit der Ausbeutung endlicher Ressourcen Geld zu verdienen.
  • Sie dienen dem Shareholder-Interesse, das heißt, oberste Maßgabe ist der Profit, der für die Eigentümer*innen entsteht.
  • Sie sind klassisch hierarchisch organisiert.

In einem hierarchisch organisierten Unternehmen fließt die Meinung der meisten Menschen nicht in wichtige Entscheidungen ein, die Eigentümer*innen und Manager*innen treffen. Ob also die Mitarbeiter*innen die Klimakrise als Problem wahrnehmen und sich ein regeneratives Wirtschaften wünschen, ist für die Unternehmenspraxis vollkommen irrelevant. Sie werden nicht gehört. Manager*innen und Eigentümer*innen tragen darüber hinaus in der Regel nicht die langfristigen Konsequenzen ihres Handelns. Führungskräfte werden nach der aktuellen Performance des Konzerns bezahlt und wechseln in regelmäßigen Abständen die Unternehmen. Die Incentives liegen darauf, heute möglichst viel Profit zu erzielen – ganz egal, wie sich das langfristig auf das Unternehmen und den Rest der Welt auswirkt.

Eine Draufsicht auf zwei Reihen von engen Büroräumen, in denen Personen arbeiten. Ein Büroraum wuchert über mit grünen Pflanzen, sodass sie aus dem Raum über die Trennwände hinauswachsen.

Selbstorganisation als Teil eines größeren Wandels

Wie kann Selbstorganisation bei diesem Problem helfen? Selbstorganisiertes Arbeiten bedeutet die Abkehr von der alten mechanistischen Weltsicht, in der lineare Zusammenhänge unterstellt werden, die sich entsprechend in Organisationen mit starren Hierarchien und Pyramiden-Strukturen niederschlagen. Und der Weg hin zu Erkenntnissen der Unvorhersehbarkeit komplexer Systeme, die sich in agilen Organisationen wiederfinden.

Gut beschrieben hat das zum Beispiel der Autor und Organisationsentwickler Frederic Laloux in seinem Buch Reinventing Organizations. Er beschreibt Organisationen neuen Typs, die sich durch drei Dinge auszeichnen: Sie haben einen tieferen Sinn und Zweck, den sie versuchen zu erfüllen (Purpose), sie nutzen selbstorganisierte Praktiken, wenden sich also ab von klassischen Hierarchien, und die Menschen in ihnen können sich als ganze Menschen zeigen und nicht nur eine professionelle Rolle spielen.

Wenn wir Laloux’ Erkenntnisse den Eigenschaften extraktiver Organisationen gegenüberstellen, zeichnet sich ein neues Bild. Regenerative Organisationen könnten dann durch folgende drei Eigenschaften charakterisiert werden:

  • Sie wirtschaften regenerativ, das heißt, ihr Geschäftsmodell bewahrt und erneuert unsere natürlichen Grundlagen.
  • Sie dienen dem Stakeholder-Interesse, beispielsweise in Form von Verantwortungseigentum. Entscheidungsbefugnisse werden auf eine große Gruppe von Mitarbeiter*innen übertragen, und der Zweck der Unternehmen ist nicht länger der Profit eines Shareholders.
  • Sie arbeiten selbstorganisiert, das heißt, wie von Laloux skizziert, wenden sie sich ab von starren Hierarchien und Verantwortlichkeiten werden kompetenzbasiert verteilt.
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Die Suche nach dem Sinn und Zweck

Zum Tool

In diesem Zusammenspiel liegt der Schlüssel für die sozialökologische Regeneration unserer Wirtschaft:

Wenn der organisationale Rahmen, also die Eigentümerstruktur, nicht mehr auf Extraktion und Profitmaximierung ausgelegt ist und sich in diesem Rahmen Menschen als Menschen zeigen und selbstorganisiert zusammenarbeiten können, dann ist das Unternehmen sozial und ökologisch regenerativ.

Wie selbstverantwortliches Arbeiten und ökologisches Wirtschaften ineinandergreifen können, zeigt sich am Beispiel des Unternehmens elobau. elobau ist ein führender Anbieter von Sensortechnologie, Bedienelementen und Maschinensicherheitssystemen. Schon seit vielen Jahren arbeitet das Unternehmen mit Elementen der Selbstorganisation und begreift das als wichtigen Motor für die ökologische Neuausrichtung des Unternehmens. Seit 2010 ist elobau klimaneutral, seit 2016 in Verantwortungseigentum.

Auch Unternehmen mit einer traditionellen Eigentümerstruktur lassen sich umkrempeln. Das zeigt das Beispiel des Teppich-Unternehmens Interface. Bis in die frühen 1990er-Jahre folgte das Unternehmen einem traditionellen Geschäftsmodell, das wenig Rücksicht auf ökologische Nachhaltigkeit nahm. Die Produktion war ressourcenintensiv und verursachte erhebliche Umweltbelastungen. 1994 entschloss sich der Gründer Ray Anderson dazu, das gesamte Geschäftsmodell umzustülpen. Er initiierte die „Mission Zero” mit dem Ziel, die Umweltbelastung durch das Unternehmen bis 2020 auf null zu reduzieren – mit Erfolg.

Was bedeutet Verantwortungs-eigentum?

New Work Glossar

Selbstorganisation kann helfen

Der Übergang von extraktivem zu regenerativem Wirtschaften setzt voraus, dass Menschen etwas ändern wollen und außerdem auch dazu in der Lage sind – deswegen geht die Veränderung in der Regel top-down vonstatten. Wenn Eigentümer*innen das Unternehmen regenerativ umstrukturieren wollen, dann können sie das einfach tun, weil sie entscheidungsbefugt sind. Was die Mitarbeiter*innen wollen, hat dagegen kein Gewicht. Arbeitet ein Unternehmen aber selbstorganisiert oder nach New-Work-Prinzipien, dann ist die Wahrscheinlichkeit viel größer, dass Regenerativität zum Thema und angegangen wird – weil eben viel mehr Menschen sich einbringen können:

  • Wenn Macht gleichmäßiger verteilt ist und die Perspektiven von vielen Menschen in Entscheidungen einfließen, können Entscheidungen inklusiver und nachhaltiger werden.
  • Wenn in der Organisation alles transparent ist, ist es unwahrscheinlicher, dass Entscheidungen getroffen werden, die viele Mitarbeiter*innen eigentlich unethisch und falsch finden.
  • Wenn rollenbasiert gearbeitet wird, entscheidet immer die kompetenteste Person.
  • Wenn beispielsweise mit Konsent entschieden wird, setzt sich das stärkste Argument durch und alle Perspektiven und Bedenken werden integriert.
  • Wenn alle in Gewaltfreier Kommunikation und Selbstreflexion geübt sind, können alle ihre Bedürfnisse aussprechen und einbringen und mit Konflikten lösungsorientiert umgehen.
  • Wenn eine Organisation partizipativ ist, kann sie durch die aktive Beteiligung der Mitarbeiter*innen zu einem Experimentierfeld für neue Arbeitsmodelle und Organisationsstrukturen werden.
  • Wenn alle eigenverantwortlich entscheiden können, wann sie eine Pause oder Auszeit brauchen, wird auch die soziale Ebene von Regeneration mitgedacht.
Eine Filterkaffeemaschine, die überwuchert ist mit gelben Pflanzen und Ranken.

Der Weg zu einer neuen Organisationskultur

Viele Unternehmen setzen New-Work-Prinzipien um, indem sie Hierarchien abbauen und das selbstverantwortliche Arbeiten ihrer Mitarbeiter*innen stärken. Doch die wenigsten gehen so weit, ihr Geschäftsmodell grundlegend zu überdenken oder sich einen neuen Purpose zu geben. Daher wirken solche Maßnahmen oft wie Schönfärberei – Unternehmen wollen sich Vorteile im Wettbewerb um Arbeitskräfte verschaffen.

Die Kritik ist berechtigt. Dennoch bietet die stärkere Einbindung der Mitarbeiter*innen das Potenzial, dass sich Unternehmen langfristig auch in einem größeren Maßstab regenerativ ausrichten. Wenn 93 Prozent der Angestellten immer wieder eine grundlegende Neuausrichtung der Unternehmensstrategie fordert sowie kleine Hebel in der eigenen Verantwortung nutzt, um darauf hinzuwirken, dann kann das tatsächlich etwas bewirken. Und wenn die Organisation sich nicht ändert, sind zumindest die Menschen gestärkt und können sich einen besseren Ort zum Wirken suchen.

Es sind zwei Fenster zu sehen. Links, im großen Fenster, gießen zwei Arbeitskolleg*innen eine große Zimmerpflanze. Im gesamten Büro stehen deckenhohe Pflanzen verteilt. Rechts sitzt ein Mann am Schreibtisch. In den Raum ragt eine der großen Pflanzen.

Take-aways

  1. Unser System begünstigt und belohnt Extraktion. Ein Unternehmen, das profitorientiert arbeitet, lässt sich nicht allein dadurch umkrempeln, dass Hierarchien aufgelöst und neue Modelle der Zusammenarbeit eingeführt werden.
  2. Dennoch haben die Organisation der Arbeit und die Transformation hin zu einer regenerativen Wirtschaft etwas miteinander zu tun: Arbeitet ein Unternehmen selbstorganisiert oder nach New-Work-Prinzipien, dann ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass Regenerativität zum Thema und angegangen wird – weil viel mehr Menschen sich einbringen können.
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