Resilienz ist die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen. Sie hilft uns dabei, besser mit schwierigen Situationen umzugehen. Wie lernen wir widerstandsfähiger zu sein?
In den 1970er-Jahren veröffentlichte die amerikanische Psychologin Emmy Werner mit ihrem Team von der University of California eine Langzeitstudie. In deren Zentrum stand die Entwicklung von Kindern, die biologischen und sozialen Risikofaktoren ausgesetzt waren. 40 Jahre lang begleiteten und beobachteten die Wissenschaftler*innen 698 Jungen und Mädchen auf der Hawaii-Insel Kauai. Die Kinder lebten in Armut, einige hatten psychisch kranke oder alkoholabhängige Eltern und wurden früh traumatisiert. Trotz der schwierigen Startbedingungen zeigte Werners Studie, dass ein Drittel der in prekären und gewaltvollen Verhältnissen aufgewachsenen Kinder es schafften, sich im Erwachsenenalter sozial zu integrieren. Sie führten später ein stabiles Leben und hatten Erfolg im Privat- sowie Berufsleben.
Wie konnten sich die Kinder trotz schlechter Umstände positiv weiterentwickeln? Sie zeigten eine Stärke, Lebenskrisen und und andere Schicksalsschläge zu überstehen, die Resilienz genannt wird.
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Zur AnmeldungWas ist Resilienz?
Der Begriff Resilienz stammt aus der Physik und beschreibt eine elastische Materie, die nach einer Verformung immer wieder ihre Ausgangsform annimmt (wie beispielsweise Gummi). Bei widerstandsfähigen Menschen sprechen Psycholog*innen von psychischer Elastizität: der Resilienz. Man kann sich einen resilienten Menschen wie eine*n Boxer*in vorstellen, der*die im Ring zu Boden geht, angezählt wird, wieder aufsteht und seine Taktik anpasst.
Die Psychotherapeutin Rosmarie Welter-Enderlin erklärt: „Unter Resilienz wird die Fähigkeit von Menschen verstanden, Krisen im Lebenszyklus unter Rückgriff auf persönlich und sozial vermittelte Ressourcen zu meistern und als Anlass für Entwicklung zu nutzen.“ Das bedeutet natürlich nicht, dass resiliente Menschen unschlagbar oder unverwundbar sind. Schicksalsschläge und widrige Umstände belasten auch sie und genauso können sie Phasen der Verzweiflung durchgehen. Aber Resilienz hilft, sich an diese Umstände anzupassen.
Dass es diese schwierigen Umstände gibt, ist beim Resilienz-Konzept gesetzt. Wir leben in einer Welt, die Resilienz von uns verlangt. Unsere eigene Widerstandsfähigkeit zu stärken, ist ein hilfreicher Ansatz, um eine Krise zu bewältigen, in der wir stecken. Es ist jedoch wichtig, zu verstehen, dass es eben genau nur das ist: eine Bewältigung. Resilienz fragt nicht nach den Ursachen und den strukturellen Missständen, die eine Krise bedingen. Es geht darum, wie gut wir individuell mit einer belastenden Situation wie zum Beispiel Stress bei der Arbeit umgehen können.
Wie werden wir resilienter? Der Zehn-Punkte-Plan
Wie resilient jemand ist, hängt unter anderem davon ab, wie oft die Person erlebt hat, Krisen bewältigen und schwierige Aufgaben meistern zu können. Die Wissenschaftsjournalistin Christina Berndt schreibt, dass sowohl persönliche Eigenschaften als auch das soziale Umfeld und die Erziehung zur psychischen Widerstandskraft beitragen können. Wir werden nicht resilient geboren. Vielmehr können wir Resilienz im Laufe unseres Lebens erlernen.
Martin Seligman, Leiter der Abteilung für Klinische Psychologie bei der American Psychological Association (APA), hat erste Anhaltspunkte entwickelt, die in einer Krise Mut machen können. Auf Grundlage von Seligman’s Studien wurde dazu ein Zehn-Punkte-Plan von der APA erstellt:
Zehn-Punkte-Plan
- Soziale Beziehungen aufbauen: Priorisiere Beziehungen, die dir guttun und pflege sie. Akzeptiere Hilfe und Unterstützung von Freund*innen und Familie. Das stärkt deine Belastbarkeit in schwierigen Situationen. Sei für andere da, wenn sie dich brauchen. Engagiere dich in Gruppen oder Vereinen.
- Krisen als Herausforderungen sehen: Halte deinen Bewältigungsprozess täglich schriftlich fest, um ihn so zu verarbeiten. Das Erfolgsjournal hilft dir, einzelne Schritte aufzuzeichnen, deine persönliche Entwicklung zu dokumentieren und etwas über deine Stärken und Schwächen zu erfahren. Im Tagebuch kannst du die einzelnen Phasen und Erlebnisse miteinander vergleichen und deine Entwicklung verfolgen.
- Veränderungen akzeptieren: Konzentriere dich auf Dinge, die du verändern kannst. Ziele sind wichtig, aber wenn es Situationen gibt, in denen du sie nicht erreichen kannst, ist es notwendig, das zu akzeptieren.
- Ziele anstreben: Entwickle realistische Ziele, auf die du hinarbeiten kannst. Gib dir Aufgaben, die dich deinen Zielen näher bringen. Das kann jeden Tag ein kleiner Schritt sein.
- Entschlossen handeln: Handle in widrigen Situationen lösungsorientiert.Konfrontiere die Situation und ergreife Initiative: „Wie kann ich diese Hindernisse überwinden?“ Finde Maßnahmen, die dir helfen, die Probleme direkt anzugehen.
- Auf Wachstumschancen achten: Lerne dich selbst besser kennen und finde heraus, was du brauchst. Du kannst viel über dich erfahren, wenn du schwierige Situation überstehst.
- Positives Selbstbild aufbauen: Vertraue auf deine Instinkte. Pflege eine positive Einstellung zu dir selbst. Das Vertrauen in dich selbst und in deine Fähigkeit, Probleme zu lösen, hilft dir deine Widerstandskraft aufzubauen.
- Perspektive bewahren: Versuche auch bei schmerzhaften Ereignissen eine langfristige Perspektive zu erreichen. Wenn du in eine stressige Situation kommst, behalte den Überblick und probiere, dich auf deine Stärken zu besinnen und ruhig eine Lösung zu finden.
- Optimistisch bleiben: Seligman empfiehlt folgende Übung: Schreib vor dem Schlafengehen drei Dinge auf, die an dem Tag gut gelaufen sind, warum sie passiert sind und was sie für dich bedeuten. Vermerke außerdem, was du tun kannst, um in Zukunft solche positiven Erlebnisse oder Erfahrungen zuzulassen.
- Auf sich selbst achten: Kümmere dich um dich selbst und unternimm Dinge, die dir Spaß machen oder dich entspannen.Wenn dein Berufsalltag besonders stressig und fordernd ist, gibt es Achtsamkeitsübungen, die helfen fokussierter durch den Alltag zu kommen.
Die Grenzen der Resilienz
So hilfreich das Konzept der Resilienz ist, wenn wir versuchen, unsere Resilienz zu trainieren, sollten wir dabei folgendes im Blick behalten: Auch der resilienteste Mensch der Welt ist in bestimmten Situationen machtlos. Ob wir eine Situation gut überstehen, hängt nicht nur von unseren individuellen Ressourcen ab. Wir müssen uns nicht jeder schwierigen Situation anpassen oder einen Umgang mit ihr finden. Manchmal geht es vielmehr darum, die Situation zu verändern.