Sprache ist unser wichtigstes Werkzeug in der Welt der Neuen Arbeit. In dieser Kolumne zeigen wir, wie sie sich sinn- und verantwortungsvoller einsetzen lässt. Diesmal geht es darum, wie Sprache die Machtverhältnisse in Meetings aufzeigt – und wie ihr darauf reagieren könnt.
Eigentlich war das Meeting angesetzt, um Perspektiven auszutauschen. Aber dann fällt dieser eine Satz, und es fühlt sich an, als hätte eine unsichtbare Hand das ganze Team auf Mute geschaltet: „Okay, aber sind wir uns hier nicht eigentlich alle einig?” Manchmal äußert sich Macht durch solche subtilen, scheinbar harmlosen Unterbrechungen. Denn die Art, wie Meetingteilnehmer*innen das Gespräch lenken, zeigt oft, wer die Kontrolle hat.

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Magazin kostenlos lesenZwischen Nutzen und Nachteilen
In vielen Organisationen ist es selbstverständlich, dass die jeweilige Führungskraft das Meeting moderiert. Nicht weil sie die größte Kompetenz hat, sondern weil sie das Sagen hat. Das ist ein Problem, denn meist ist sie nicht neutral. Das führt zum Beispiel dazu, dass sie sich selbst das Wort erteilt oder die Beiträge anderer Teilnehmer*innen wegmoderiert. So werden Diskussionen und Entscheidungen von den bestehenden Machtverhältnissen dominiert.
Damit das nicht passiert, sollten Meetings von einer separaten Moderationsrolle geleitet werden. Bei Neue Narrative gibt es zum Beispiel nicht die eine Führungsperson, die automatisch alle Meetings moderiert. Stattdessen haben wir mehrere Führungsrollen, die Moderationen auf Kompetenzbasis übernehmen. So moderiere ich in meiner Rolle als Process Ownerin die Redaktionkonferenzen. Dabei verschaffe ich mir einen Überblick über unseren Prozessfortschritt, fordere To-dos an und unterbreche Menschen, wenn es nötig ist. Das mache ich nicht, um mir selbst mehr Redezeit oder persönliche Vorteile zu verschaffen, sondern um den Fokus auf unser gemeinsames Ziel zu lenken: Klarheit über unseren Fortschritt im Magazinprozess zu erlangen.
In dieser Funktion ist es explizit erwünscht, wenn ich neutral feststelle: „Das Thema gehört nicht hierhin, könnt ihr das nach dem Meeting besprechen?” Dabei ist die Macht, die ich ausübe, eng mit den Verantwortlichkeiten meiner Rolle verknüpft. Ganz anders ist es, wenn ein*e Chef*in denselben Satz sagt, weil er*sie als einzige Person möglicherweise nicht über ein Thema sprechen will, obwohl es eigentlich auf der Agenda steht.
Damit dieses Modell funktioniert, muss die Moderationsrolle aber verhindern, dass bewusst oder unbewusst eingesetzte Machtstrategien den eigentlichen Zweck des Meetings untergraben. Und hierfür muss sie in der Lage sein, diese zu erkennen. Das sind ein paar der gängigsten Strategien und Floskeln, in Meetings Macht zu demonstrieren:
1. Die Übernahme
Unterbrechungen wie „Lass mich das nochmal kurz präzisieren …“ und „Nur um sicherzugehen, dass wir alle das Gleiche meinen …“ wirken zunächst wie der Versuch, Klarheit zu schaffen. In manchen Fällen sind sie das auch, zum Beispiel wenn eine Person sich verzettelt und der*die Moderator*in sie dabei unterstützt, wieder zum Punkt zurückzufinden.
Oft dienen sie aber nicht dazu, tatsächlich kurz zu präzisieren, sondern werden dafür eingesetzt, die Kontrolle über das Gespräch zu übernehmen. Denn das Unterbrechen nimmt der ursprünglich sprechenden Person die Möglichkeit, ihren Gedanken zu Ende zu formulieren. Oft beanspruchen die Unterbrechenden dann gleich noch die Anerkennung für das zuvor Gesagte für sich, indem sie es einfach nochmal ausschweifend wiederholen. Manchmal geht es auch über eine Wiederholung hinaus und sie geben ihre eigene Interpretation wieder. So als wüssten sie, was der*die Sprechende eigentlich sagen wollte, und als hätte diese*r es bloß nicht richtig ausdrücken können. In anderen Fällen lenkt der*die Unterbrechende das Gespräch gleich auf ein völlig anderes Thema, wodurch die ursprüngliche Idee in den Hintergrund gedrängt und letztlich vergessen wird.

2. Das Insider-Wissen-Monopol
„Wie ich mit der Geschäftsführung bereits besprochen habe …“ ist ein klassischer Satz, um den eigenen Zugang zu wichtigen Informationen hervorzuheben. Damit wird demonstriert: Ich habe einen exklusiven Zugang zu Entscheidungsträger/*innen, den andere im Team nicht haben. Will ich aber dennoch als gleichberechtigtes Mitglied neben den anderen im Meeting auftreten, wirkt der Verweis auf exklusives Wissen oft lähmend und blockiert den weiteren Austausch. Denn es ist schwer, gegen etwas zu argumentieren, das in einem nicht-öffentlichen Kreis besprochen wurde. Anders sieht es natürlich aus, wenn ich ausdrücklich als Insider*in oder Entscheidungsträger*in in ein Meeting eingeladen wurde. Denn dann ist das Teilen exklusiver Informationen ja ausdrücklich gewünscht.
3. Das Kompetenz-K.O.
Sätze wie „Das ist eine nette Idee, aber …“ oder „Super Anfang, ab hier würde ich jetzt übernehmen” können Anerkennung heucheln, um die Kompetenz des Gegenübers dann doch abzuwerten, um die eigene Machtposition zu festigen. Dabei geht es oft gar nicht darum, Aufgaben tatsächlich an sich zu reißen, sondern es sollen lediglich anderen implizit abgesprochen werden, diese selbst erfolgreich umsetzen zu können. Solche Situationen dürfte fast jede/*r kennen. Besonders häufig zeigen sie sich aber gegenüber Frauen in patriarchalen Strukturen, etwa wenn Männer Frauen ungefragt Dinge erklären und ihnen auf diese Weise die Kompetenz absprechen.1

4. Die unterschwellige Suggestion
Jemand hat sich tief in die Lösung eines Problems eingearbeitet und erläutert auf Basis der eigenen Expertise im Meeting einen Lösungsvorschlag. Dann fragt der*die Chef*in, der*die zum ersten Mal etwas mit dem Thema zu tun hat: „Hm, meinst du nicht auch, dass Option Y der bessere Weg ist?” Vielleicht wird das Ganze auch in vordergründige Zustimmung verpackt, nur um diese im nächsten Halbsatz wieder zurückzuziehen: „Interessante Idee, aber sollten wir nicht überlegen, ob das wirklich der beste Einsatz deiner Ressourcen ist?”
Solche Scheinfragen mögen auf den ersten Blick harmlos wirken. Doch der sachliche Ton kaschiert lediglich die Machtausübung. Oft steht dahinter nicht das Ziel, die effektivste Entscheidung zu treffen oder das beste Ergebnis zu erzielen, sondern vielmehr soll die eigene Position durchgesetzt werden. Denn tatsächlich lassen solche suggestiven Fragen keinen Raum für echte Antworten. Stattdessen erzeugen sie beim Gegenüber Unsicherheit und Zweifel.
5 .Das Meetingfluchtmanöver
Manchmal ist es sinnvoll, Punkte nach einem Meeting separat zu besprechen. Etwa dann, wenn zwei Personen aus demselben Team interne Detailfragen vor versammelter Runde ausdiskutieren. In solchen Situationen sollte die Moderation sachlich darauf hinweisen, dass das nicht ins Meeting gehört.
Anders sieht es aus, wenn solche Sätze von Autoritätspersonen als Machttechnik eingesetzt werden. Etwa dann, wenn ein Teammitglied nicht einbezogen wird, obwohl das Thema eigentlich in eine seiner Rollen fällt. Denn der Vorschlag, die Entscheidung zu verlagern, signalisiert, dass nicht alle Meinungen gleich wichtig sind. Sätze, die solche Positionen manifestieren, sind beispielsweise „Wir besprechen das später mit den Entscheidungsträger*innen“ oder „Das ist nur eine Kleinigkeit, die klären wir unter uns“.

Wie ihr Macht verantwortungsvoller einsetzen könnt
Um destruktiven Machtfloskeln langfristig entgegenzuwirken, solltet ihr insbesondere die Moderationsrolle mit der Befugnis ausstatten, Regeln für eure Meetings durchzusetzen. Diese müssen natürlich alle Teilnehmer*innen kennen. Ihr könnt beispielsweise im Voraus klären, was als valider Einwand gilt und wie ihr Unterbrechungen anfragt. Eine konstruktive Möglichkeit wäre z.B.: „Ich hätte noch einen Gedanken dazu. Ist es für dich hilfreicher, wenn ich ihn jetzt im Meeting direkt teile oder ihn dir im Anschluss schriftlich mitgebe?”
Die Moderation sollte zu lange Erklärungen oder unzulässige Unterbrechungen abmoderieren und immer den Personen das Wort erteilen, die etwas Wichtiges zu sagen haben. Dafür ist die simple Frage „Was brauchst du?” ihr wichtigstes sprachliches Werkzeug. Sie hilft bei den meisten der oben genannten Machtgesten, zum Wesentlichen zurückzukommen.
FUßNOTEN
- 1
Auch bekannt als „Mansplainig”. Geprägt wurde der Begriff von der Essayistin Rebecca Solnit. In ihrem Essay Men Explain Things to Me erzählt sie, wie ihr ein Mann ausschweifend von einem wichtigen Buch erzählte, das er selbst gar nicht gelesen hatte, während ihre Freundin ihm vergeblich mitzuteilen versuchte, dass Solnit dieses Buch geschrieben hatte. ↩