In unserer Kolumne Frag Fred geben wir Antworten auf Fragen, die im Kontext von Selbstorganisation immer wieder auftauchen. Diesmal geht es darum, wie ihr Meetings so gestaltet, dass große Egos nicht zu viel Raum bekommen.
Die Ausgangsfrage
Wir haben uns als Team darauf geeinigt, dass wir möglichst egofrei zusammenarbeiten wollen. Alle sind grundsätzlich an Bord, doch in der Umsetzung ist das gar nicht so einfach. Besonders in Meetings verfallen wir immer wieder in Muster, in denen große Egos sagen, wo es langgeht. Wie schaffen wir ein Umfeld, in dem die Egos wirklich vor der Tür bleiben?
Das ist eine Frage, die viele Teams beschäftigt: Wir sind uns im Team einig, dass wir großen Egos nicht viel Raum geben sollten. So weit, so gut. Doch wenn es wirklich ernst wird, im Eifer eines Meetings, sieht die Welt ganz anders aus: Der gute Wille lässt sich gar nicht so einfach in die Tat umsetzen. Am Ende sind es dann doch die Lautesten, die sich durchsetzen, und alle sind frustriert. Es ist ein bisschen so, wie erkannt zu haben, dass Rauchen oder Schokoriegel nicht gut für einen sind und dann trotzdem ständig vor dem Zigaretten- oder Süßigkeitenautomaten zu stehen.
Die Frage ist in beiden Fällen, bei den Egos wie der Impulskontrolle: Gibt es Grund zur Hoffnung? Oder handelt es sich einfach um eine Schwäche in der Natur des Menschen, mit der wir uns abfinden müssen?
Die Egos vor der Tür lassen
Der Gedanke, man könne die Egos vor der Tür lassen, ist etwas irreführend. Unsere Egos haben wir immer dabei, sie sind Teil unserer Persönlichkeit. In Interaktionen mit anderen ist jedoch wünschenswert, dass wir die Egos im Zaum halten, sie reflektieren und ihnen nicht zu viel Raum geben. Dabei gibt es große Unterschiede, von Mensch zu Mensch. Manchen fällt es nicht schwer, halbwegs egofrei rüberzukommen. Bei anderen scheint es fast undenkbar. Woran das liegt? Wir greifen hier drei Facetten heraus, die uns besonders relevant erscheinen.
Erstens hat nicht jede*r von uns eine gleich starke Tendenz, sich als Person bzw. die eigenen Bedürfnisse ins Spiel zu bringen. Ist ein Raum besetzt mit einem Team von Führungskräften, wird der Egosensor wahrscheinlich sehr laut anschlagen. Ist das Team bunt gemischt, piept er vielleicht nur leise vor sich hin. Und auch in letzterem Fall: Geht es einmal um ein Thema, das viele im Raum auch persönlich berührt, wird der Sensor stärker anschlagen, die Egos treten dann oft stärker zutage. Falls ihr in eurem Team gelegentlich Ego-Probleme habt, könnte es sinnvoll sein, einmal abzuschätzen, wie viel Ego ihr wann im Raum habt: Wie viele Menschen im Team fahren gerne die Ellenbogen aus? Gibt es bestimmte Situationen und Themen, bei denen sich der Effekt noch verstärkt?
Zweitens hat es aber auch mit Achtsamkeit zu tun, wie viel Ego eine Person zeigt: Manche von uns spüren zwar hin und wieder starke Ego-Regungen, sind aber geübt darin, diesen Impuls zu reflektieren und im Zaum zu halten. Um das zu lernen, hilft übrigens Feedback. Gebt ihr euch im Team regelmäßig Feedback dazu, wo einzelne zu viel Ego gezeigt haben und damit dem Fortkommen der Gruppe im Weg standen? Ihr könnt diese Frage als Check-out an euer Meeting anhängen, um gemeinsam zu lernen und das nächste Meeting besser zu machen.
Drittens gibt es auch Unterschiede zwischen Menschen, die nicht direkt mit dem Ego zu tun haben. Manche sind schlicht extravertiert und lassen andere an ihren Gedanken (und Gefühlen) stärker teilhaben. Das muss noch nichts mit Ego zu tun haben. Spätestens wenn die Egos sich rühren, werden sie bei diesen Kolleg*innen jedoch bedeutend sichtbarer. Die meisten von uns wünschen sich dann eher stille Zeitgenoss*innen, die nicht direkt den ganzen Raum mit ihrem Ego ausfüllen, wenn es sich denn mal zeigt. Habt ihr auch diesbezüglich mal reflektiert, wie die Unterschiede im Team sind? Habt ihr die totale Bandbreite von sehr stillen bis sehr lauten Mitarbeiter*innen? Um diesen Unterschieden Rechnung zu tragen, kann es sich lohnen, mit einer Moderationsrolle zu arbeiten und öfter in Runden (also eine Person nach der anderen, ohne Unterbrechungen oder Diskussionen) zu sprechen.
Haltung verändern durch Regeln
Wir bewegen uns hier auf sehr spannendem Terrain: Beim Thema Egos versuchen wir, etwas zu verändern, das an tief verinnerlichte Muster rührt. Geht das überhaupt durch etwas so einfaches wie das Einführen einer Regel wie: „Wir sprechen in Runden“?
Wir glauben: ja! Tief verinnerlichte Muster zu verändern, braucht Zeit, doch für uns geht es im ersten Schritt vor allem darum, das sichtbare Verhalten zu ändern. Das Denken ändert sich mit der Zeit automatisch mit.
Sinnvoll kann es auch sein, ein Meeting direkt mit einer solchen Runde zu starten: Jede*r sagt etwas (z.B. zu den Erwartungen an das Meeting), dann steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass alle im Verlaufe des Meetings etwas sagen werden.
Egos in den Griff bekommen
Weitere Beispiele, wie sich der Rahmen in Richtung „Egos im Griff“ verändern lässt:
- verbindliche Regeln, auf die sich berufen werden kann (Wir lassen einander ausreden.)
- Begrenzung der Zeit, die ein Redebeitrag dauern darf (Wichtig: Eine Person muss die Rolle Zeitnehmer*in übernehmen.)
- Jeder Beitrag muss kurz eingeordnet werden: Ist es eine Frage, eine Reaktion, ein Vorschlag, ein emotionales Dampfablassen (auch das kann okay sein, wenn es nicht als inhaltlicher Beitrag getarnt ist)?
- Einführen einer Regel, mit der Menschen zum Schweigen gebracht werden können (z.B. wenn zwei Personen die gelbe Karte heben)
All diese Regeln lassen sich gut umsetzen, wenn es eine Moderationsrolle im Meeting gibt, also eine Person, die ausschließlich darauf achtet, dass alle sich an die vereinbarten Regeln halten.
Das Warum des Meetings
Ein wichtiges Strukturelement, das hilft, den Fokus auf Ergebnisse statt auf die Egos zu lenken, ist, sich immer zuallererst die Frage zu stellen, warum das Meeting stattfindet und was damit erreicht werden soll. Wenn diese Frage nicht eindeutig geklärt ist, sollte das Meeting nicht stattfinden.
Eine Weiterführung dieses Gedankens steckt für uns in dem Modell der 4 Spaces, das wir von Christiane Seuhs-Schoeller kennen. Nach diesem Modell gibt es in der Organisation eine mentale Landkarte, innerhalb derer verschiedene Spaces klar voneinander getrennt werden sollten:
- den operativen Space, in dem operative Entscheidungen getroffen werden (Wie können wir möglichst einfach unsere Ziele erreichen?)
- den Governance-Space, in dem Entscheidungen zur Struktur der Organisation getroffen werden (welche neuen Rollen brauchen wir, welche Regeln geben wir uns?)
- den Relationship-Space, in dem persönliche Konflikte und Spannungen gelöst werden (Wieso ist Person A sauer auf/enttäuscht von … Person B, und was ist nötig, um wieder verbunden zu sein?)
- den individuellen Space, in dem jede*r das eigene Denken verändert, neue Erkenntnisse integriert und z.B. die eigenen Werte reflektiert und weiterentwickelt.
Die Zuordnung, wo wir uns gerade auf der mentalen Landkarte befinden, macht es viel einfacher, effektiv miteinander zu kommunizieren. Dann wissen alle, worum es gerade geht und welche Themen keinen Platz finden sollten. Das erleichtert auch, den Egosensor im Blick zu haben und die Egos, wenn nötig, aus dem Meeting zu werfen.