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Eine Person, die auf einem Stapel aus Büchern und Notizen sitzt und aufs Smartphone schaut
Aufschieben

Endlich anfangen: Was du gegen Prokrastination tun kannst

Wer prokrastiniert, schiebt Aufgaben ständig vor sich her. Das kann zum Problem werden. Wie gelingt es, endlich anzufangen?

Eigentlich sollte ich mit dem Projekt weitermachen oder diesen einen wichtigen Anruf tätigen. Stattdessen sortiere ich meine Bücher nach Farben, putze die Fenster oder schaue „nur mal kurz“ bei Linkedin rein. Menschen, die prokrastinieren, entwickeln einen Widerwillen, wenn die Arbeit beginnen soll. Plötzlich haben sie ganz viel Energie für Dinge, die nichts mit der eigentlich anstehenden Aufgabe zu tun haben.

Psycholog*innen verstehen Aufschieben als eine Form natürlicher Emotionsregulation. Sie startet mit Widerwillen gegen eine Aufgabe (z.B. „Ich finde die Aufgabe überfordernd/langweilig“). Dieses unangenehme Gefühl umgehen wir, indem wir uns eine andere Beschäftigung suchen – wie beispielsweise Putzen. Dadurch entsteht eine kurzfristige Erleichterung. Kurzfristig, weil zeitgleich die Deadline für die Aufgabe näher rückt, der wir uns eigentlich widmen wollten – und sich Stress- und Schuldgefühle aufbauen.

Die Ausprägung ist entscheidend

Es ist wichtig, zwischen natürlichem Aufschieben und Prokrastinieren, also einer klinischen Arbeitsstörung, zu unterscheiden. Denn: „Aufschieben tun wir alle, bloß mehr oder weniger stark: Bis zu 95 Prozent der Menschen schieben auf, circa 10-20 Prozent sind von Prokrastination betroffen“, sagt Benthe Untiedt, Psychologin bei SHITSHOW – Agentur für psychische Gesundheit. Prokrastinierer*innen unterscheiden sich von normalen Aufschieber*innen dadurch, dass sie unter ihrem (Nicht-)Handeln leiden. Sie fühlen sich unwirksam und verbauen sich regelmäßig Möglichkeiten im Alltag und Beruf, wodurch negative Konsequenzen entstehen.

Aufschieben hilft uns dabei, unangenehme Gefühle zu umgehen.

Prokrastinations-Check

  • Enttäusche ich durch mein Prokrastinieren regelmäßig Kolleg*innen, Familie oder Freunde?
  • Beeinträchtigt meine Prokrastination mein Wohlbefinden und meine psychische Gesundheit?
  • Leide ich unter meiner Prokrastination?
  • Erlebe ich durch meine Prokrastination negative Konsequenzen (z.B. Konflikte, Kündigung)?
  • Prokrastiniere ich so lange, dass mein Schlaf darunter leidet und ich regelmäßig unausgeruht bin?
  • Kriege ich es gar nicht mehr oder kaum mehr hin, meine Vorhaben zu Ende zu bringen?
  • Verbaue ich mir durch mein Prokrastinieren regelmäßig wichtige Ziele, Chancen und Möglichkeiten?
  • Verspüre ich ein chronisches Gefühl der Enttäuschung und Unzufriedenheit?
  • Rechne ich damit, meine Arbeit noch kurz vor der Deadline zu schaffen – tue es dann aber nicht?

Das sind die Ursachen von Prokrastination

Prokrastinierer*innen schätzen sich oft fälschlicherweise als faul ein. Dabei gibt es zahlreiche Ursachen, die dazu führen können, dass wir unsere Aufgaben immer weiter aufschieben. In unserer Gesellschaft herrscht ohnehin ein großer Druck, regelmäßig gute Leistung zu erbringen und sich ständig zu optimieren. Wer diesen Erwartungen nicht entspricht, fühlt sich schnell als Versager*in und fängt an zu prokrastinieren. Problematisch ist, dass Betroffene sich in unserer Leistungsgesellschaft oft für ihre vermeintliche Faulheit schämen und deshalb nur selten Hilfe in Anspruch nehmen.

Grundsätzlich gilt: Je weniger Struktur, desto größer ist die Gefahr für Prokrastination. Aufgaben mit unklaren Rahmenbedingungen schieben wir eher vor uns her. Prokrastination kann also auch ein Indikator für Teams sein, dass Ziele nicht klar genug formuliert sind. Viele schieben auch auf, weil sie nur externe Erwartungen erfüllen. Sie absolvieren ein Studium oder üben einen Job aus, der nicht ihren eigenen Wünschen entspricht. In der Folge kommt es zu Motivationsproblemen und Prokrastination. Viele Prokrastinierer*innen neigen auch zu Perfektionismus. Sie fangen gar nicht erst an, aus Angst, ihre eigenen Erwartungen nicht zu erfüllen.

Eine liegende Person, die die Füße auf einem Stapel Arbeit hochlegt
Ein grün-türkiser Stuhl steht auf dem Boden. An einem der Stuhlbeine sind drei Schnüre von 3 Luftballons angebunden_ Links ein kleiner, rosaner Luftballon, in der Mitte ein gelbes, großes Fragezeichen und rechts ein pastellilanes Ausrufezeichen.

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Das kannst du gegen die Aufschieberei tun

Viele Menschen denken, um gegen Prokrastination vorzugehen, müsse man einfach die eigenen Deadlines enger schnüren. Das allein reicht aber meistens nicht. Betroffene müssen eine neue Einstellung zum Arbeiten und zu sich selbst entwickeln. „Wer schon aus Gewohnheit aufschiebt, sollte die Gründe hinterfragen und Wege suchen, sich selbst als jemand zu erleben, der*die etwas umgesetzt bekommt“, sagt Benthe Untiedt.


1. Ursache finden und Strategien entwickeln

Im ersten Schritt sollte man sich mit der Ursache des Problems beschäftigen. Wer sich im Job beispielsweise langweilt und unterfordert fühlt, kann Möglichkeiten durchspielen, die eigene Rolle zu verändern. Wer hingegen überfordert ist, kann reflektieren, ob die Überforderung bei allen oder nur bei wiederkehrenden Teilaufgaben auftritt.

Sollte Letzteres der Fall sein, können folgende Fragen helfen: Wer könnte mir bei der Aufgabe helfen oder gibt es sogar die Möglichkeit, sie an eine*n Kolleg*in abzugeben? Die Ursache der Prokrastination zu finden ist die Grundlage, effektive Strategien gegen sie zu entwickeln. Dazu kann auch gehören, Team- und Organisationsstrukturen zu hinterfragen, wenn Prokrastination kollektiv auftritt.


2. Klare Rahmenbedingungen schaffen

Die Art der Aufgabe spielt für Aufschieber*innen eine große Rolle. Komplexe Aufgaben ohne äußere Struktur fördern Prokrastination. Gerade bei selbstorganisierter Arbeit ist deshalb ein gut strukturiertes System für die täglichen Anforderungen wichtig. Denn wer im Chaos versinkt, verwendet viel Energie darauf, das Chaos zu beseitigen. Betroffene sollten sich außerdem realistische Ziele und Zwischenerfolge setzen, die klar definiert sind.

Die Pomodoro-Technik hilft dabei: Phasen konzentrierter Arbeit (die Pomodori), meist 25 Minuten lang, wechseln sich mit fünfminütigen Pausen ab. In einem Pomodoro widmet man sich genau einer Aufgabe.

Eine Figur, die eine Arbeitliste in den Händen hält

3. Vorbereitungen treffen

Aufschieber*innen sollten ehrlich zu sich selbst sein und vorbeugend Ablenkungen identifizieren – und dann auch aktiv werden. Das kann beispielsweise heißen, dass ich mein Handy nicht nur ins Nebenzimmer lege, sondern ausschalte und in den Briefkasten werfe oder Partner*in oder Mitbewohner*in gebe, die es für ein paar Stunden verwahren.


Wir sind alle Aufschieber*innen

Neben all den Tipps gegen Prokrastination sollten wir trotzdem auch offener darüber sprechen, wie normal es ist, Dinge aufzuschieben. „Jede*r schiebt Dinge auf, besonders wenn ich gar keine andere Möglichkeit habe, meine Emotionen zu regulieren“, sagt Benthe Untiedt. „Trotzdem ist Aufschieben total verschrien. Wir erzählen uns lieber von unseren Erfolgen, als von den unzähligen Malen, in denen wir lieber kochen, spazieren oder schlafen gegangen sind.“

Die Autorin Madeleine Dore schreibt in ihrem Buch I Didn't Do the Thing Today, dass wir uns von den unrealistischen Erwartungen lösen sollten, jeden Tag produktiv zu sein: „Wir brauchen lange, um unser eigenes Erfolgsrezept für den Tag zu finden und zu akzeptieren, wenn es nicht mehr funktioniert und wir vom Weg abkommen. Aber genau an dieser Stelle lernen wir alle Seiten unseres fehlbaren, unvollkommenen menschlichen Wesens kennen.“1

Nur weil ich für eine Aufgabe länger brauche als geplant, ist also nicht der ganze Tag gescheitert. Es ist kontraproduktiv, sich mit Sätzen wie: „Ich könnte doch schon längst …“, „Eigentlich müsste ich …“ oder „Er*sie ist schon viel weiter als ich …“ noch zusätzlich Schuldgefühle aufzuladen. Stattdessen könnte ich mich fragen, woran die Verzögerung liegt und welche Unterstützung ich brauche. Sätze wie: „Ich brauche so lange, wie ich brauche“ und „Ich vergleiche mich nicht mit anderen“ können hilfreich dabei sein, fehlerfreundlicher und nachsichtiger mit sich selbst zu werden.

Checkliste

Hol dir Unterstützung!

Wenn deine mentale Gesundheit unter deiner Prokrastination leidet und du (starke) Probleme im Alltag hast, solltest du dir professionelle Unterstützung holen. Zum Beispiel bei der Prokrastinationsambulanz der Universität Münster. Du erreichst sie unter prokrastination@uni-muenster.de oder unter +49251 8334 140. Außerdem kannst du einen wissenschaftlichen Selbsttest machen und eine individuelle Rückmeldung zur Ausprägung deines Aufschiebeverhaltens bekommen.

FUßNOTEN

  • 1

    Englisch im Original, übersetzt und gekürzt von der Autorin.

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