Die durchschnittliche Zahl der Hitzetage in Deutschland hat sich seit den 1960er-Jahren verdoppelt
Ab einer Tageshöchsttemperatur von 30 Grad Celsius sprechen wir von einem Hitzetag. In den 1950er- und 1960er-Jahren gab es in Deutschland durchschnittlich vier Hitzetage pro Jahr. Inzwischen hat sich diese Zahl verdreifacht, Tendenz steigend. Im Jahr 2018 gab es im Mittel aller Wetterstationsdaten sogar ganze 20 Hitzetage in Deutschland.
Quelle: Umweltbundesamt / Deutscher Wetterdienst
Durch hohe Temperaturen wird das Herz-Kreislauf-System belastet. Das kann vor allem bei älteren Menschen und Menschen mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten zum Tod führen, wenn sie dehydrieren, einen Hitzschlag oder einen Schlaganfall erleiden. In den vergangenen 20 Jahren ist die Zahl der hitzebedingten Todesfälle in Deutschland um 30 Prozent gestiegen – ein Trend, der sich in nahezu allen Ländern Europas abzeichnet. In Deutschland starben in den beiden Hitzesommern 2018 und 2019 insgesamt etwa 15.600 Menschen an den Folgen der Hitzebelastung.
Im Arbeitsschutz gibt es drei rechtlich relevante Temperaturschwellen. Ab 26 Grad Celsius Lufttemperatur müssen Arbeitgeber*innen für Abkühlung sorgen, also z.B. Ventilatoren aufstellen. Wenn die Maßnahmen nicht ausreichen, um die Temperatur auf unter 26 Grad abzusenken, müssen Unternehmen ab 30 Grad weitere Maßnahmen treffen, also z.B. eine Lüftung installieren, die auch nachts durchläuft. In Räumen mit über 35 Grad kann nicht gearbeitet werden – außer Arbeitgeber*innen bieten Luftduschen, also einen intensiven, auf eine begrenzte Fläche gerichteten Luftstrom und vorgeschriebene Hitzepausen an.
Temperaturrekorde
Wir feiern Heftlaunch-Party <3
Zur AnmeldungWenn es heiß ist, sind wir weniger produktiv
Hohe Temperaturen beeinträchtigen unsere kognitiven Fähigkeiten und haben somit negative Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz – das konnten Wissenschaftler*innen bestätigen.
In den Jahren 2018 und 2019 gab es in Deutschland intensive und lang andauernde Hitzewellen. Die direkten und indirekten Schäden durch Produktivitätseinbußen, die als Folge der Hitze entstanden sind, werden für beide Jahre auf 8,5 bis 10,3 Milliarden Euro geschätzt.
Für Zeiten hoher Hitzebelastung in Mitteleuropa werden Produktivitätsabnahmen von bis zu zwölf Prozent angenommen (unter anderem als Folge von verminderter Konzentrationsfähigkeit und daraus entstehenden Fehlern sowie häufigeren und schwereren Arbeitsunfällen).
Menschen, die im Freien arbeiten – in der Land- und Forstwirtschaft oder im Bauwesen etwa – sind besonders von der zunehmenden Hitzebelastung betroffen. Sie tragen schätzungsweise 10 bis 15 Prozent zur Wirtschaftsleistung Deutschlands bei. Gewerkschaften fordern für diese Branchen an extrem heißen Tagen ein Ausfallgeld.
Arbeitsschutz & Hitze
ArbeitsschutzausschussÄhnliches gilt für Menschen, die in ihrem Job viel der Sonne und großer körperlicher Belastung ausgesetzt sind. „Für Busfahrer*innen, Straßenbahnfahrer*innen oder Angestellte in der Postzustellung sind die Hitzeperioden, die wir in den vergangenen Jahren hatten, eine große Belastung“, sagt Uwe Wötzel, Referent für Umweltpolitik bei der Gewerkschaft ver.di im Interview mit der Deutschen Welle.1Doch ohne sie kommen viele Menschen nicht zur Arbeit.
Bis zum Jahr 2030 werden Prognosen zufolge pro Jahr mehr als zwei Prozent der weltweiten Gesamtarbeitszeit verloren gehen, weil es zu heiß zum Arbeiten ist.
Ein Blick in andere Länder zeigt schon jetzt, wie sich die Hitze in Deutschland zukünftig auswirken könnte
- In Kalifornien führen steigende Temperaturen und Dürreperioden zu gesundheitlichen Problemen bei Feldarbeiter*innen, die oft den ganzen Tag der prallen Sonne ausgesetzt sind.
- In Indien, Bangladesch und Nigeria verursachen Dürre, Ernteausfälle und extreme Wetterereignisse Fluchtbewegungen – vor allem aus ländlichen Regionen migrieren Menschen in die Städte, weil die Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft unter anderem aufgrund der hohen Temperaturen immer schwieriger werden. Diese Binnenmigration stellt eine Herausforderung für städtische Infrastrukturen und Arbeitsmärkte dar. Aus Südostasien, Lateinamerika und Subsahara-Afrika werden laut einer Prognose der Weltbank aufgrund von Extremwetter und dessen Folgen bis 2050 etwa 143 Millionen Menschen migrieren.
- In den Vereinigten Arabischen Emiraten, wo aufgrund der geografischen Lage 40 Grad Celsius ohnehin häufig überschritten wurden, sind die Sommer noch heißer geworden und auch die Häufigkeit und Intensität von Hitzewellen hat zugenommen. Die hohen Temperaturen führen zu massivem Energieverbrauch für Kühlung, was nicht nur die Betriebskosten für Büros in die Höhe treibt, sondern auch die Belastung der elektrischen Netze erhöht. Im Mittleren Osten und einigen Teilen der USA kann Raumkühlung an heißen Tagen mehr als 70 Prozent des Strombedarfs ausmachen.
Braucht Deutschland eine Siesta?
In südeuropäischen Ländern wie Spanien, Italien und Griechenland sind viele Geschäfte, Büros und öffentliche Einrichtungen zwischen 14 und 17 Uhr geschlossen. Dies ermöglicht es den Menschen, sich auszuruhen und vor der Hitze zu schützen. In Andalusien endet die Arbeitszeit am Bau und in der Landwirtschaft bei Hitze um 15 Uhr. Die Stunden werden jedoch samstags nachgeholt. Viele Menschen wünschen sich bei steigenden Temperaturen auch in Deutschland eine solche Mittagspause, um der Hitze zu entgehen.
Mythos Siesta
Übrigens: Die Siesta wird weltweit mit Spanien und einem gemütlichen Umgang mit Hitze assoziiert. Siesta stammt vom lateinischen „sexta hora“ ab, was „sechste Stunde“ bedeutet und sich auf die sechste Stunde des Tages nach Sonnenaufgang bezieht, also etwa auf die Mittagszeit. Nach dem Spanischen Bürgerkrieg hatte die Siesta aber noch eine weitere Funktion: Viele Menschen mussten zwei Jobs ausüben, um genügend Geld zu erwirtschaften. Die Vormittagsschicht ging in der Regel von 9 bis 14 Uhr, die Abendschicht von 16 bis 20 Uhr. Stundenlang mittags schlafen tut heutzutage kaum ein*e spanische*r Erwerbstätige*r. Tatsächlich arbeiten die Spanier*innen im Jahr (pro Person 1.644 Stunden im Jahr 2022) deutlich mehr als deutsche Arbeitnehmer*innen (pro Person 1.341 Stunden im Jahr 2022) – trotz höherer Temperaturen.
Zum Weiterlesen
Natürlich können wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit absoluter Gewissheit sagen, wie genau die Temperaturen in ein paar Jahren aussehen werden. Dafür gibt es zu viele unberechenbare und unplanbare Entwicklungen. In ihrem Buch Der Klimawandel geben die Forscher Stefan Rahmstorf und Hans Joachim
Schellnhuber einen verständlichen Überblick über den aktuellen Stand unseres Wissens:
- Stefan Rahmstorf & Hans Joachim Schellnhuber: Der Klimawandel (C.H. Beck, 2019)
FUßNOTEN
- 1
Im Originalzitat wird nicht durchgehend gegendert. Wir haben das der Einheitlichkeit halber angepasst. ↩