In dieser Kolumne untersuchen wir die Feinheiten in der Sprache, die den Unterschied zwischen guter und frustrierender Kommunikation machen. Diesmal geht es um die Frage: Wie kriege ich andere dazu, zu tun, was ich will? Geht das überhaupt ohne Befehle oder Manipulation? Wir zeigen, wie wirksam eine gut formulierte Bitte sein kann.
Wirksam sein heißt oft: andere bewegen. Kein Mensch ist eine Insel, wer etwas erreichen möchte, ist auf die Mithilfe von anderen angewiesen. Das beginnt am Frühstückstisch und setzt sich im Arbeitsalltag fort. Doch wie kriege ich, was ich möchte?
Der Imperativ
Es gibt verschiedene Wege, Menschen dazu zu bewegen, etwas für mich zu tun. Ich kann anordnen oder befehlen, wie ein Kommandant seine Crew auf dem Schiff oder diktatorische Chef*innen: „Bis morgen will ich den Projektbericht haben!“ Dieser Befehlston ist auf einem Schiff vielleicht notwendig, in einer modernen Organisation aber nicht mehr zeitgemäß.
Der Wunsch
Ein Ansatz, den viele wählen, die ihr Gegenüber nicht herumkommandieren wollen: Sie formulieren ihr Anliegen als Wunsch. „Ich würde mir wünschen, dass ich beim nächsten Mal gefragt werde.“ Doch auch der Wunsch hat seine Tücken: Je nach Tonlage kann er schnell manipulativ werden und ist somit bloße Fassade, hinter der sich ein weiterer Imperativ verbirgt. Oder aber die andere Person fühlt sich gar nicht erst angesprochen, da nicht mitklingt, dass etwas von ihr erwartet wird. Eine Aussage wie „Ich fände es gut, wenn wir nächstes Mal pünktlich beginnen“ wird dann als lautes Denken gewertet. Ohne klare Adressat*innen gibt es im Wunsch-Szenario bald Frust und Diskussionen im Stil von „Ich dachte, wir hätten darüber gesprochen, dass du nicht mehr zu spät kommst“.
Die Bitte
Warum der Wunsch meistens in die Hose geht: Er will zwar die Autonomie der anderen Person wahren, adressiert dadurch aber niemanden. Wer beides miteinander vereinen will, landet bei der Bitte: Sie ist ein konkret an eine andere Person herangetragener Wunsch. Mit einer gut formulierten Bitte lasse ich der anderen Person die Wahl und bekomme mit höherer Wahrscheinlichkeit trotzdem, was ich möchte. Oder ich erhalte ein Nein mit einer Erklärung oder einem Gegenvorschlag. In jedem Fall sorgt die Bitte für Klarheit, wer von wem was möchte.
Eine gute Bitte gründet auf folgenden Prinzipien:
- Sie basiert auf Freiwilligkeit und wahrt die Autonomie des*der Anderen.
- Sie bringt klar zum Ausdruck, was die bittende Person genau möchte und von wem.
- Sie liefert die Beweggründe für das Anliegen.
- Sie bezieht sich auf objektiv wahrnehmbares Verhalten und ist erfüllbar.
Eine gute Bitte beginnt mit der inneren Haltung, dass es okay ist, wenn das Gegenüber sich selbstbestimmt für ein Nein entscheidet. Und warum sollte ich dann überhaupt damit rechnen, dass irgendetwas gemacht wird? Weil Menschen soziale Wesen sind und gerne etwas für andere tun. Aber eben nur unter den richtigen Voraussetzungen. Ihre Einsatzbereitschaft erhöht sich, wenn sie es aus freien Stücken tun und wissen, warum es dem*der Gesprächspartner*in wichtig ist. Das ist auch der Kern der Gewaltfreien Kommunikation. Menschen gehorchen zwar auch Befehlen oder fügen sich manipulativer Sprache, aber sie entwickeln dann inneren Groll gegen die fordernde Person.
Die innere Haltung, der*den Andere*n entscheiden zu lassen, signalisiert zum Beispiel eine Bitte im Frageformat: „Ich kann mich schlecht konzentrieren, wenn du neben mir telefonierst. Ist es in Ordnung, wenn du beim nächsten Mal aus dem Zimmer gehst?“ Doch nicht jede Frage – auch nicht, wenn sie das Zauberwort bitte enthält – funktioniert. Es gibt verkleidete Forderungen wie: „Kannst du dich bitte besser vorbereiten bei der nächsten Präsentation?“ Hier ist wohl kaum ein Nein möglich. Ein guter Indikator dafür, dass ein Imperativ als Bitte getarnt wurde, ist, wenn der*die Adressierte mit einer Abwehrhaltung reagiert: „Ich war doch vorbereitet!“ Ein weiteres Zeichen für eine unechte Bitte ist es, wenn ein Nein eine Bestrafung oder negative Konsequenz wie eine eingeschnappte Leberwurst nach sich zieht. Und hier noch ein Klassiker-Fettnäpfchen: Die beliebte Floskel „Magst du nachher … ?“ enthält scheinbar eine Freiwilligkeit, ist aber häufig ein weichgespülter Imperativ. Zumindest hängt es stark von der Interpretation ab, ob es sich um eine Bitte handelt oder einen höflich verpackten, aber sehr bestimmten Wink mit dem Zaunpfahl.
Es gibt nichts, das uns weniger ans Ziel bringt, als abstrakte Bitten wie: „Kannst du bitte weniger rücksichtslos sein?“ Was rücksichtslos ist, beruht auf der subjektiven Beurteilung der Person, die die Bitte anbringt. Daher kann sie eigentlich niemand jemals erfüllen. Besser ist, bei einer Bitte konkretes, beobachtbares Verhalten zu nennen, das man sich bei dem*der Anderen wünscht. Die subjektiven Empfindungen sollte man als solche benennen und die Bitte getrennt davon formulieren. Ein Beispiel: „Ich brauche aktuell viel Ruhe und Fokus. Wärst du bereit, anzuklopfen, bevor du in mein Büro kommst?“
Mit diesen Prinzipien kann ich um fast alles bitten und komme immer zu einem positiven Ergebnis. Entweder ich bekomme ein Ja. Oder einen konstruktiven Dialog, in dem ich mehr über die Vorstellungen, Absichten und Bedürfnisse der*des Anderen erfahre.